23.10.2020

Moderne Gentests erleichtern die Suche nach passenden Blutprodukten

Eine Genotypisierung kann dabei helfen, passende Blutprodukte für Transfusionen schneller zu finden. Blutbanken setzen daher zunehmend auf moderne Gentests.

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Gerade bei seltenen Blutgruppen ist es häufig schwierig, passende Blutprodukte für eine Transfusion zu finden. Blutbanken setzen zunehmend auf moderne Gentests, um im Notfall rasch eine geeignete Blutspende zur Verfügung stellen zu können. Auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI) erläuterten Experten, wie die Genotypisierung hilft, schnell passende Blutprodukte für Transfusionen zu finden.

Blutgruppen werden vererbt. Ihre genetischen Informationen sind an verschiedenen Stellen des menschlichen Erbguts gespeichert. Mit einer Genotypisierung lassen sich die verschiedenen Blutgruppen-Gene in einer einzigen Untersuchung bestimmen. Blutbanken nutzen die Tests zunehmend, um Blutspender für seltene Blutgruppen zu ermitteln. Damit schützen sie die Empfänger z.B. Menschen mit „Rhesusfaktor negativ“ und anderen seltenen Blutgruppen.

Einige Blutgruppen kommen sogar sehr selten vor. Die Blutgruppe AB Rh- ist die seltenste Blutgruppe, nur etwa ein Prozent der Bevölkerung gehört dieser an. „Wenn die Blutspende nicht zur Blutgruppe des Empfängers passt, bilden manche Empfänger Antikörper“, erläutert Dr. med. Christof Weinstock vom Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm. Die Antikörper lösen nach einer Transfusion eine Immunabwehr gegen die fremden Blutzellen aus und zerstören sie. „Diese sogenannte Hämolyse ist eine schwerwiegende Komplikation, bei der rote Blutzellen (Erythrozyten) abgebaut werden, die für den Sauerstofftransport im Blut zuständig sind“, berichtet der Experte. Dadurch kann es zur Verklumpung des Blutes mit lebensbedrohlichen Folgeerscheinungen wie Herz-Kreislauf-Störungen, allergischem (anaphylaktischem) Schock und Nierenversagen kommen.

„Bisher mussten die Blutbanken viele einzelne Labortests durchführen, wenn ein Patient mit einer seltenen Blutgruppe eine Bluttransfusion benötigt“, erinnert sich Weinstock. „Das konnte Tage dauern, sofern die Blutbanken überhaupt die für die Bestimmung nötigen Antiseren zur Verfügung stehen hatten“, fügt der Experte für seltene Blutgruppen hinzu, der in Ulm die Abteilung für Immunhämatologie und Blutgruppenserologie leitet.

Die Genotypisierung erfolgt durch Geräte, die das Erbgut an einzelnen Punkten untersuchen. Sie weisen sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen nach, also geerbte und vererbbare genetische Merkmale, die sich nur an einer ganz bestimmten Stelle in der DNA manifestieren. In Zukunft werden die Blutbanken auch sogenannte „Next-Generation-Sequencing“-Verfahren einsetzen, die ganze Genabschnitte analysieren. Dabei handelt es sich um eine moderne Methode, die eine sehr große Anzahl von DNA-Molekülen parallel erkennen kann. „Die Methode ist genauer und spart Zeit und Geld, weil gleichzeitig hundert und mehr Merkmale bei tausenden von Blutspendern mit relativ geringem Aufwand und mit geringen Kosten für Reagenzien bestimmt werden können“, erläutert Dr. Weinstock.

Außer den Blutgruppen A, B, AB und 0 und dem Rhesus-Blutgruppensystem gibt es noch 36 weitere Blutgruppensysteme. Bei einem Teil der Transfusionsempfänger müssen Merkmale aus diesen Blutgruppensystemen bei der Auswahl der Bluttransfusionen berücksichtigt werden. Umso mehr Merkmale dies sind, umso schwieriger wird es. „Hier kommt es immer wieder zu Versorgungsengpässen“, erläutert Hubert Schrezenmeier, der Ärztliche Direktor am Ulmer Institut. „Die Genotypisierung hilft, die Versorgung in solchen Situationen zu verbessern.“

Eine wichtige Rolle spielt auch das Rhesus-Blutgruppensystem. Ist der Rhesus-Faktor positiv (RhD+), enthalten die roten Blutkörperchen zusätzlich das D-Antigen auf ihrer Oberfläche. Fehlt dieses, wird das Blut mit Rhesusfaktor negativ (RhD-) bezeichnet. Nur 15 Prozent der Deutschen sind RhD-negativ. Sie können Antikörper gegen das D-Antigen bilden, was zu hämolytischen Reaktionen führt. Deshalb dürfen sie nur RhD-negatives Blut bekommen. Die Engpässe bei dieser Blutgruppe werden durch Patienten verstärkt, bei denen das RhD-Merkmal nur schwach ausgeprägt ist. Einige dieser Patienten entwickeln Antikörper gegen das RhD, andere nicht. Vorsichtshalber erhielten deshalb bisher alle Patienten Rhesus-negative Blutspenden, was laut Schrezenmeier nicht unerheblich zur Knappheit beigetragen hat. Mit der Genotypisierung können heute die fünf Prozent der Betroffenen ermittelt werden, die tatsächlich gefährdet sind. „Die übrigen 95 Prozent können Rhesus-positives Blut erhalten, ohne dass es zu einer Unverträglichkeit kommt“, so Schrezenmeier. Dies erleichtert die Suche nach Blutprodukten erheblich und hilft, Versorgungsengpässe zu reduzieren, sind sich die Ulmer Experten einig.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI)

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