Venenthrombose: Therapie

Die Behandlung der Venenthrombose wird unmittelbar nach der Diagnosestellung begonnen.

Gerinnungshemmung (Antikoagulation)

Ziel ist zunächst, den Gerinnungsvorgang zu unterbrechen. Damit kann das Risiko, dass sich aus der akuten Thrombose eine Lungenembolie löst, schon innerhalb einer Stunde deutlich reduziert werden, und ist nach einem Tag praktisch nicht mehr vorhanden. Zur Einleitung der Behandlung wird meist ein niedermolekulares Heparin verwendet, dessen Dosis sich nach dem Körpergewicht richtet. Mit zweien der modernen oralen Antikoagulanzien, die den aktivierten Gerinnungsfaktor X hemmen (Xa-Antagonisten), kann in erhöhter Dosis auch unmittelbar mit der Behandlung begonnen werden. Es ist auch möglich, die Behandlung mit einem niedermolekularen Heparin zu beginnen und dann auf eine Tablettenbehandlung überzugehen. Da die meisten verfügbaren Medikamente über die Niere ausgeschieden werden, sollte die Nierenfunktion ermittelt werden. Manchmal, besonders bei älteren Patienten (ab 75 Jahren), wird wegen einer Einschränkung der Nierenfunktion eine Reduktion der Gerinnungshemmer erforderlich. Keine Rolle spielt dies für die früher regelhaft eingesetzten Vitamin-K-Antagonisten (z.B. Marcumar®). Hier muss die Wirkung der Gerinnungshemmung anhand der Blutgerinnung („Quick-Test“, INR) regelmäßig überprüft werden, um einen Zielwert einzustellen. Das Ausmaß der Gerinnungshemmung lässt sich mit einer speziell ausgerechneten Tablettendosierung gut steuern. Die neuen, direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) folgen hingegen einer Standard-Dosierung, eine Überprüfung der Gerinnung ist nicht mehr erforderlich. Man muss wissen, dass die klassischen Gerinnungstests unter DOAKs nicht mehr aussagefähig sind. Patienten, die diese einnehmen, tragen deshalb idealerweise stets einen entsprechenden Ausweis bei sich.

Je eher die Behandlung begonnen wird, desto wahrscheinlicher ist, dass die Gerinnsel sich wieder vollständig auflösen. Die Auflösung wird durch die Antikoagulation begünstigt, weil diese das Gleichgewicht zwischen Gerinnselbildung und Gerinnsel-Auflösung zu letzterer hin verschiebt. Der eigentliche Prozess der Gerinnsel-Auflösung wird durch körpereigene Eiweiße bewerkstelligt.

Liegt eine (oberflächliche) Thrombophlebitis vor und ist eine Beteiligung der tiefen Venen ausgeschlossen, muss keine hoch dosierte Gerinnungshemmung erfolgen. Eine Studie mit Fondaparinux hat aber gezeigt, dass die Symptome einer Thrombophlebitis rascher abklingen und eine Ausweitung zur tiefen Venenthrombose seltener eintritt, wenn die Substanz über 6 Wochen in einer prophylaktischen (Thrombose-verhindernden) Dosierung von 2,5 mg pro Tag subkutan verabfolgt wird. Fondaparinux ist ein synthetisches Molekül, bei dem das gerinnungswirksame Zentrum des Heparins nachgebaut wurde. Es wurde als bisher einzige Substanz explizit zur Behandlung der Thrombophlebitis zugelassen; in einer höheren Dosierung (7,5 mg/Tag) wird es auch zur Behandlung der tiefen Venenthrombose verwendet. Teilweise wird (und wurde früher) bei der Thrombophlebitis auch eine Behandlung mit niedermolekularem Heparin in der prophylaktischen Dosis eingesetzt. Dies ist vermutlich ähnlich wirksam, auch wenn keine Zulassung besteht. Auch für einen Xa-Antagonisten (Rivaroxaban, 10 mg/Tag) gibt es positive Studienergebnisse.

Kompressionstherapie

Während die Antikoagulation Lungenembolien verhindert und zum Abbau von Thromben beiträgt, wird die Kompressionstherapie gegen die Thrombosefolgen am Bein, also den venösen Rückstau eingesetzt. In der Anfangsphase trägt sie wesentlich zu einer Besserung der Beschwerden (Schmerzen) bei, bei einer oberflächlichen Thrombophlebitis ebenso wie bei einer tiefen Venenthrombose. Wenn bei letzterer der Unterschenkel im Anfang stark geschwollen ist, wird dem Patienten ein straffer Kompressionsverband angelegt. Im weiteren Verlauf wird dieser durch einen angepassten Kompressionsstrumpf der Klasse II (mittelkräftiger Druck von 25-30 mmHg) ersetzt. Dieser wirkt im weiteren Verlauf der Schwellneigung entgegen und verhindert langfristig stärkere Hautschäden. Bei konsequentem Tragen eines Kompressionsstrumpfs tritt ein Venengeschwür (Ulcus cruris) praktisch nicht mehr auf.

Die Kompression kann meist auf den Unterschenkel beschränkt bleiben, da in der Regel nur dieser nennenswert schwillt und sich vor allem die schweren postthrombotischen Hautschäden nur dort, namentlich im Knöchelbereich, ausbilden. Bei starker Schwellung auch am Oberschenkel kann es sinnvoll sein, einen langen Kompressionsstrumpf einzusetzen. Bei einer Varikophlebitis am Oberschenkel sollte der Strumpf natürlich ebenfalls bis dorthin reichen. Da Oberschenkel-Kompressionsstrümpfe eine unangenehme Tendenz haben, im Tagesverlauf das Bein herab zu rutschen, ist vor allem bei Frauen dann oft der Einsatz einer Kompressionsstrumpfhose sinnvoller.

Der Kompressionsstrumpf muss nur dort getragen werden, wo die Thrombose eine Stauung hervorruft. Am nicht erkrankten Bein ist er überflüssig. Er ist auch nicht in der Lage, eine Lungenembolie zu verhindern. Dies geschieht allein durch die Antikoagulation. Bei kleinen Thrombosen, vor allem am Unterschenkel, kann auf die Kompression verzichtet werden, wenn die Schmerzen nicht mehr bestehen und die Beine sich nicht mehr unterscheiden. Eine kontinuierliche Kompression kann in der Anfangsphase als angenehm empfunden werden. Insgesamt ist es aber nicht erforderlich, Kompressionsstrümpfe nach einer Thrombose auch nachts zu tragen.

Ob man einen Kompressionsstrumpf bei sportlicher Betätigung trägt, ist nicht von vornherein zu entscheiden. Manche Patienten spüren die Stauung in den Venen des Unterschenkels beim Sport besonders stark und tragen den Strumpf dann besser weiter (wobei Wechselexemplare verordnet werden können). Andere finden, dass die Stauungsbeschwerden beim Sport nachlassen und der Strumpf eher unangenehm ist. In diesem Fall kann er auch weggelassen werden. Die meisten Thrombosepatienten empfinden den Kompressionsstrumpf besonders dann als nützlich, wenn sie längere Zeit sitzen, vor allem während der Arbeit am Schreibtisch. Nicht nur wegen der Venenstauung ist zu empfehlen, bei der Schreibtischarbeit nach spätestens einer Stunde eine kleine Pause einzulegen und etwas umher zu gehen.

Thrombektomie, Ballondilatation/Stent und Thrombolyse

Unter bestimmten Umständen kann es sinnvoll sein, ein Gerinnsel aktiv aus der Becken- oder Beinvene zu entfernen. Niemals sollte dies wegen der Befürchtung einer Lungenembolie vorgeschlagen werden, da diese bereits durch die Antikoagulation wirksam verhindert wird. Bei akuten Beckenvenenthrombosen kann ein solches Vorgehen aber sinnvoll sein, da diese besonders schwere Auswirkungen auf das Bein haben und bei unzureichender Rückbildung in 5 bis 10 % der Fälle ein Venengeschwür (Ulcus cruris) entstehen kann. Bei der Thrombektomie wird das Blutgerinnsel operativ aus der Beckenvene entfernt, generell unter Narkose. Bei ganz frischen Thrombosen kann auch eine Entfernung des Thrombus aus der Oberschenkelvene versucht werden. Das Verfahren muss zum Ziel haben, die Thromben vollständig zu entfernen. Eine unvollständige Beseitigung bietet keine Vorteile, da eine Abflussstörung bestehen bleibt: Eine Kompressionstherapie ist weiterhin erforderlich, eine Gerinnungshemmung ebenso.

Man kann auch versuchen, den frischen Thrombus von der Leiste aus mit einer Katheterbehandlung zu entfernen. Es sind verschiedene Verfahren vorgeschlagen worden. Etabliert ist die Beseitigung der Thromben und eine Erweiterung der Beckenvene durch einen Stent. Derartige Stents sind speziell für das Venensystem entwickelt worden. Sinnvoll ist das Verfahren vor allem beim May-Turner-Syndrom. Der zu Grunde liegende Venensporn am oberen Ausgang der linken Beckenvene wird beiseite gedrückt und der Blutfluss ist wieder unbehindert. Beckenvenenthrombosen, bei denen ein Katheterverfahren sinnvoll sein kann, sind allerdings nicht häufig. Außerdem bessern sich unter einer konsequenten Gerinnungshemmung und Kompression die Symptome ohnehin oft nach einigen Monaten sehr weitgehend. So wird ein Kathetereingriff mit venöser Stentung vor allem bei chronischen Thrombosen vorgeschlagen, derentwegen die Patientinnen und Patienten monatelang Beinbeschwerden hatten oder Hautveränderungen aufgetreten sind. Die Wiedereröffnung einer gesamten Beckenvene führt meist zu einem deutlichen Rückgang der Beschwerden, auch wenn ein Kompressionsstrumpf weiter erforderlich bleibt.

Über die Wirkung der Antikoagulation hinaus gehen Substanzen, die körpereigene Eiweiße imitieren, um einen in den Venen nachgewiesenen Thrombus aufzulösen: sogenannte Thrombolytika. Deren Einsatz wird gelegentlich ebenfalls diskutiert, wenn eine Thrombose besonders ausgedehnt ist, vor allem bei jungen Patienten. Die Aussichten auf eine rückstandsfreie Beseitigung der Thrombose betragen allerdings maximal 60 % und schwinden mit jedem Tag, den die Thrombose besteht. Außerdem müssen die Thrombolytika meist über mehrere Tage angewendet werden, wobei das Risiko schwerer Blutungen (auch im Gehirn) zunimmt. Das Verfahren wird gegenwärtig kaum mehr durchgeführt.

Langzeitbehandlung nach venöser Thrombose

Eine erstmalige Venenthrombose wird über 3-6 Monate mit Antikoagulanzien behandelt. Das weitere Vorgehen richtet sich danach, wie hoch man das Risiko einer erneuten Thrombose einschätzt. Wenn die Thrombose einen eindeutig benennbaren Anlass hatte, wie beispielsweise eine ausgedehnte Operation oder einen schweren Unfall, ist das Wiederholungsrisiko gering und die Antikoagulation wird beendet. Gleiches gilt für isolierte Thrombosen der Unterschenkelvenen oder Muskelvenen. Nach einer erstmaligen Thrombose von der Kniekehle an aufwärts besteht ein namhaftes Wiederholungsrisiko von 40-50 % innerhalb der ersten 5 Jahre. Ausgeprägter ist das Risiko bei Männern und beim Vorliegen größerer Thrombusreste in der Vene. Es kann sinnvoll sein, die Gerinnungshemmung langfristig fortzuführen. Dies wird mittlerweile vereinfacht. Zwei der DOAKs sind nämlich für die Langzeitprophylaxe nach Venenthrombose zugelassen (Rivaroxaban und Apixaban). Sie können ab dem 7. Monat nach der Thrombose in einer reduzierten Dosis weiter verabreicht werden, die der Thromboseprophylaxe entspricht (10 mg/Tag bei Rivaroxaban, 2 x 2,5 mg/Tag bei Apixaban). Die Dosisreduktion hat zur Folge, dass das Risiko für Blutungen (als zwangsläufige Nebenwirkung der Gerinnungshemmer) reduziert ist. Bei den Zulassungsstudien hatte sich gezeigt, dass die Dosisreduktion die Wirksamkeit der Behandlung nicht schmälert, dies wird durch die klinische Erfahrung bestätigt.

Viele Patienten möchten keine langfristige Tabletteneinnahme. Nach erstmaliger Thrombose ist diese auch nicht unbedingt anzuraten. Wer bereits einmal eine Thrombose erlitten hatte, hat aber ein hohes Wiederholungsrisiko und sollte daher bei allen Risikosituationen eine ausreichend lange medikamentöse Thromboseprophylaxe erhalten. Bei Symptomen, die auf eine erneute Thrombose hinweisen, muss zügig eine Ultraschall-Untersuchung erfolgen. Wird eine erneute Thrombose nachgewiesen, muss zu einer Langzeitbehandlung geraten werden. Auch hierbei kann die Dosis (bei bestimmten Medikamenten) aber nach einem halben Jahr auf die prophylaktische Dosis herabgesetzt bzw. halbiert werden.

Patienten, die ohne plausiblen Anlass eine Lungenembolie erlitten haben, sind besonders gefährdet, bei einer erneuten Thrombose wieder eine Lungenembolie zu bekommen, mit unter Umständen tödlichem Ausgang. Besonders bei diesen Patienten sollte ohne Umschweife eine langfristige Gerinnungshemmung erfolgen, um ein Rezidiv nach Möglichkeit zu verhindern.

Ob und wie lange nach der Thrombose ein Kompressionsstrumpf zu tragen ist, richtet sich lediglich nach den Symptomen am Bein. Es kann bereits nach wenigen Monaten zulässig sein, auf die Kompression zu verzichten. Patienten mit ausgedehnten Thromboseschäden in den tiefen Venen, bei denen sich ein postthrombotisches Syndrom mit Hautschäden entwickelt, sind hingegen möglicherweise im Verlauf ihres gesamten weiteren Lebens auf einen Kompressionsstrumpf angewiesen. Bei Nachuntersuchungen muss regelmäßig der Aspekt der Haut überprüft werden. Außerdem werden im Ultraschall die Entwicklung der Thromben und das Ausmaß der Schäden am Venensystem kontrolliert. Die Venenfunktion lässt sich mit weiteren Untersuchungen erfassen. In der Venenverschlussplethysmografie wird die Kapazität der Venen ermittelt, das Blut aus dem Bein hinaus zu transportieren. Das Lichtreflexrheogramm überprüft indirekt die Klappenfunktion und misst, wie effektiv Blut aus dem Bereich der Haut transportiert wird, der am meisten anfällig für das Auftreten eines Venengeschwürs (Ulkus) ist. Die Verfahren helfen bei der Einschätzung, ob eine Kompressionstherapie weiter sinnvoll und erforderlich ist.

Experte: Wissensch. Beratung: PD Dr. L. Caspary, Hannover & Dr. Gerhard Tepohl, München

Literatur:
• Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin in 2 Ordnern Meyer, J. & Pletz, M.W. & Mayet W.-J (Hrsg.) Elsevier 11/2022 • AWMF Leitlinie: Venöse Embolie

Letzte Aktualisierung: 30.01.2023

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