24.01.2017

Neue Erkenntnisse zur Entstehung von Arterienverkalkung

Lange galt die Auffassung, dass Arteriosklerose primär durch die Ablagerung von Fetten in den Gefäßwänden zustande kommt. Tatsächlich scheinen aber vor allem Entzündungsprozesse verantwortlich zu sein.

Seit einiger Zeit wird vermutet, dass Zellen des Immunsystems an der Entstehung der Arterienverkalkung (Arteriosklerose) beteiligt sind, einer krankhaften Veränderung der arteriellen Blutgefäße. Berner Forschende am Institut für Pathologie haben nun eine bestimmte Bindungsstelle (Rezeptor) auf Immunzellen ins Visier genommen, die normalerweise die Abwehr gegen mikrobielle Erreger verstärkt. Allerdings wird dieser Rezeptor auch durch eine längerfristige fettreiche Ernährung aktiviert und trägt dann zur Entwicklung einer Arteriosklerose bei (siehe Nature Communications, Online-Veröffentlichung am 20.10.2016).

Weltweit fordern kardiovaskuläre Krankheiten wie die Arterienverkalkung als hauptsächlicher Verursacher von Herzinfarkt und Schlaganfall mehr Todesopfer als Krebs oder Infektionskrankheiten. Lange galt die Auffassung, dass Arteriosklerose primär durch die Ablagerung von Fetten in den Gefäßwänden zustande kommt. Tatsächlich scheinen aber vor allem Entzündungsprozesse diese Krankheiten zu verursachen. Immunzellen sind normalerweise an der Bekämpfung von Krankheitserregern beteiligt, die in den Körper eingedrungen sind. Schon in einer frühen Phase einer Infektion können Zellen des angeborenen Immunsystems mit Hilfe diverser Rezeptoren bestimmte Strukturen auf Mikroben erkennen, die Erreger aufnehmen und abbauen und dabei mit Hilfe von ausgeschütteten Botenstoffen wirkungsvoll Alarm schlagen.

„Manche Rezeptoren des Immunsystems können indes nicht nur fremde Strukturen, sondern auch vom Körper gebildete Moleküle wie Cholesterin-Kristalle und bestimmte Fettsäuren als Gefahrensignale erkennen und lösen dann eine Immunreaktion aus, die in seltenen Fällen auch Gewebe und Organe schädigt", erklärt Christoph Müller vom Institut für Pathologie der Universität Bern. Seine Forschungsgruppe hat aufgrund früherer Arbeiten besonders einen Immunrezeptor untersucht, den so genannten TREM-1 Rezeptor. Dieser reagiert normalerweise auf bakterielle Infektionen und verstärkt die mikrobielle Abwehr. Die Forschenden konnten zeigen, dass TREM-1 bei einer fettreichen Ernährung ebenfalls aktiviert wird und zur Arteriosklerose beiträgt. Müller: „Die Resultate zeigen nicht nur, wie zweischneidig Immunrezeptoren sein können, sondern eröffnen auch neue Perspektiven für mögliche immunbasierte Therapien in der Arteriosklerose."

Schon lange haben Pathologinnen und Pathologen so genannte Schaumzellen als wesentlichen Bestandteil von arteriosklerotischen Gefäßveränderungen wahrgenommen. Diese stammen von im Blut zirkulierenden Zellen des Immunsystems (Monozyten) ab. Diese Zellen können in die Blutgefäßwände einwandern, wo sie bei einer fettreichen Ernährung vermehrt über ihre Rezeptoren die Fette aufnehmen, sich in Schaumzellen umwandeln und dadurch direkt zum Wachstum der arteriosklerotischen Veränderungen der Gefäßwände beitragen. Da sie Botenstoffe produzieren, locken sie zudem weitere Immunzellen an - die Entzündung wird chronisch, bis es schließlich zum gefürchteten Aufplatzen der Gefäßwände und der möglichen Bildung eines lebensbedrohlichen Blutgerinnsel (Thrombus) kommt. „Während es die Immun- und Schaumzellen in der Arterienwand eigentlich nur gut meinen und die Fettablagerungen entfernen wollen, können ihre Aktivitäten auch weitreichende, negative Folgen haben", erläutert Leslie Saurer vom Institut für Pathologie, Ko-Autorin der Studie.

Als bad guy bei der Entstehung der Schaumzellen und damit von Arteriosklerose hat die Arbeitsgruppe von Christoph Müller den Immunrezeptor TREM-1 ausgemacht. Dieser kommt ausschließlich auf den Immunzellen, insbesondere auf Granulozyten, Monozyten und Makrophagen vor. In Zusammenarbeit mit weiteren Forschenden aus Bern, Lausanne und Heidelberg hat Studien-Erstautor Daniel Zysset im Rahmen seiner Dissertationsarbeit am Institut für Pathologie untersucht, wie TREM-1 zur Entstehung von Arteriosklerose beiträgt: „Tatsächlich konnten wir eine erhöhte TREM-1 Produktion in arteriosklerotischen Gefäßwänden nachweisen", berichtet Zysset. Dabei begünstigt TREM-1 die Arteriosklerose gleich in mehrfacher Weise: So steuert TREM-1 unter dem Einfluss einer lipidreichen Ernährung eine vermehrte Produktion von Monozyten im Knochenmark, was eine erhöhte Einwanderung von mit Makrophagen in die Gefäßwände zur Folge hat. Damit ist es aber nicht genug: Überraschenderweise fördert TREM-1 über eine vermehrte Bildung des Lipid-Aufnahme-Rezeptors CD36 auf Monozyten und Makrophagen direkt deren gezielte Umwandlung in Schaumzellen. Nicht zuletzt verstärkt TREM-1 zusammen mit Lipidmolekülen auch die Produktion von entzündungsfördernden Botenstoffen. Die wesentliche Bedeutung des TREM-1 Rezeptors bei diesen Vorgängen wird durch die Beobachtungen gestützt, dass Mäuse, denen TREM-1 fehlt, nach einer fettreichen Ernährung deutlich weniger Arteriosklerose entwickeln.

Gerade die Funktion von TREM-1 als Verstärker von Immunantworten macht den Rezeptor als mögliches therapeutisches Ziel für diverse chronische Entzündungskrankheiten interessant, zumal das Fehlen von TREM-1 keinen sichtbar negativen Einfluss auf die erfolgreiche Immunabwehr gegen diverse mikrobielle Erreger zu haben scheint. Das konnte die Forschungsgruppe von Christoph Müller in einer früheren Studie bereits zeigen.

Quelle: Universität Bern

 

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