26.03.2017

Molekulargenetik eröffnet Therapieoption gegen Herzrasen

Als Ursache für Herzrasen, das bei Überanstrengung oder Stress auftritt, haben Forscher der Philipps-Universität Marburg ein bestimmtes Gen dingfest gemacht.

Aus dem Takt: Enthält der Bauplan einer Ionenschleuse nur einen einzigen veränderten Gen-Buchstaben, so gerät der Rhythmus des Herzens durcheinander. Das hat ein Forschungsteam aus Marburg, Ulm, Kiel, Münster und Talca in Chile entdeckt, als es molekulargenetisch untersuchte, was hinter dem Herzrasen bestimmter Patienten steckt. Die Gruppe fand auch einen Wirkstoff, der den Ausfall der Schleuse wettmacht (siehe EMBO Molecular Medicine, Online-Veröffentlichung am 27.2.2017).

Unter Herzrasen versteht man einen beschleunigten Herzschlag, der lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Oftmals tragen äußere Anlässe wie Überanstrengung oder Stress dazu bei, dass die Störung auftritt. „Wir haben ein bislang unentdecktes Gen für diese Art von Herzrhythmusstörungen gefunden", erklärt Prof. Dr. Niels Decher von der Philipps-Universität Marburg, der die Untersuchungen zusammen mit seinem Kollegen Professor Dr. Eric Schulze-Bahr von der Universität Münster leitete.

Das Forschungsteam untersuchte mehr als 430 Patienten mit ungeklärten Herzrhythmusstörungen, darunter Fälle, bei denen das Herzrasen vom Ausflusstrakt der rechten Herzkammer ausgeht (Right ventricular outflow tract ventricular tachycardia, RVOT-VT). „Die genetische Basis der Erkrankung ist bislang weitgehend unbekannt", führt Seniorautor Schulze-Bahr aus.

Bei einem der Betroffenen stieß das Team auf eine bisher unentdeckte Genveränderung: Diese bewirkt, dass Kaliumkanäle eines bestimmten Typs einen falschen Baustein enthalten. Seit seinem 45sten Lebensjahr leidet der Patient unter wiederkehrendem Herzrasen, das durch körperliche Belastung oder Stress ausgelöst werden kann. Die Wissenschaftler entschlüsselten das Erbgut des Patienten Buchstabe für Buchstabe, um zusätzliche Unregelmäßigkeiten auszuschließen, die die Herztätigkeit beeinträchtigen.

Dass unser Herz schlägt, verdankt es elektrischen Signalen und deren Weiterleitung; die elektrischen Signale ihrerseits beruhen auf Ionen, das sind geladene Teilchen, die innerhalb von Zellen anders verteilt sind als außerhalb. Der betroffene Kaliumkanal kann geladene Kaliumionen von einer Seite der Zellhülle auf die andere Seite schleusen, um die Ionenverteilung aufrechtzuerhalten. Andersartige Ionen lässt der Kanal hingegen normalerweise nicht hindurch.

Die Genveränderung (Mutation) bewirkt indes, dass Natriumionen die Schleuse passieren können, was offenbar die elektrische Erregbarkeit des Herzens stark beeinträchtigt. Überdies ändern die betroffenen Schleusen ihre Aktivität, wenn sich das Muskelgewebe dehnt: „Wir fanden heraus, dass der abgewandelte Kanal eine erhöhte Dehnungsempfindlichkeit aufweist und auf Stresshormone anders reagiert als normalerweise", legt Decher dar. Alles zusammen führt dazu, dass es zu Rhythmusstörungen des Herzens kommt.

Die gute Nachricht: Die Autorinnen und Autoren fanden auch einen Wirkstoff, der die Eigenschaften des Kanals vollständig wiederherstellt - dieser birgt also das Potenzial für ein Medikament. „Um Herzrhythmusstörungen zu vermeiden, benötigt das gesunde Herz Ionenkanäle, die durch die Muskeldehnung aktiviert werden", fasst Decher die Befunde zusammen.

Quelle: Philipps-Universität Marburg

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