20.11.2017

Auch an die Leber denken

Anlässlich des Deutschen Lebertags am 20. November 2017 weisen Experten auf das Gesundheitsrisiko Fettleber hin und beantworten Fragen zur Erkrankung nicht-alkoholische Fettleber…

Das Motto des 18. Deutschen Lebertages lautet „An die Leber denken!“. Damit soll am 20. November 2017 darauf hingewiesen werden, dass es lebenswichtig ist, an die Leber und die Lebergesundheit zu denken. Die Ausrichter des Deutschen Lebertages sind die Deutsche Leberstiftung, die Deutsche Leberhilfe e. V. und die Gastro-Liga e. V.

Zu den weltweit häufigsten Lebererkrankungen zählt die nicht-alkoholische Fettleber (NAFL). In Deutschland ist jeder dritte Bundesbürger über 40 bereits betroffen – Tendenz steigend: Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2025 etwa 55 Millionen US-Amerikaner und Europäer an einer nicht-alkoholischen Leberentzündung leiden. Anlässlich des bundesweiten Aktionstages führten die Ausrichter ein Gespräch mit Prof. Dr. Peter R. Galle, Direktor der 1. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Als Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologe und Hepatologe ist Professor Galle ein Experte für die Erkrankung nicht-alkoholische Fettleber.

Frage: Herr Professor Galle, das Motto des diesjährigen Deutschen Lebertages lautet „An die Leber denken!“ und weist darauf hin, dass es lebenswichtig ist, an das zentrale Stoffwechselorgan Leber zu denken, ihm mehr Beachtung zu schenken und auf die Lebergesundheit zu achten. Die alarmierenden Zahlen bei der Erkrankung nicht-alkoholische Fettleber zeigen, dass offensichtlich Aufklärungsbedarf besteht. Was sind die Ursachen für eine nicht-alkoholische Fettleber?

Prof. Galle: Zu den wesentlichen Ursachen zählt der westliche Lebensstil, der häufig durch zu wenig körperliche Aktivität und ein überreiches Nahrungsangebot – insbesondere Kohlenhydrate – geprägt ist. Diese Kombination kann letztendlich zu dem sogenannten metabolischen Syndrom führen, einer Kombination verschiedenster risikobehafteter Aspekte wie Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, die am Ende auch auf die Leber einen sehr negativen Effekt haben.

Sind nur Erwachsene betroffen oder zählen auch Kinder und Jugendliche zur Risikogruppe?

Es sind überwiegend Erwachsene, doch in den letzten Jahren sehen wir eine neue Entwicklung. Beispielsweise diagnostizieren wir häufiger Diabetes mellitus Typ 2 bei stark übergewichtigen Kindern. Somit sind auch Kinder von Fettleber-Problemen und Fettleber-Entzündungen betroffen.

Gibt es eindeutige Symptome und wie kann eine nicht-alkoholische Fettleber diagnostiziert werden?

Die alkoholische und die nicht-alkoholische Fettleber sind in einer relativen Überlappung zu sehen. In unserem Breitengrad konsumieren Menschen in der Regel Alkohol, und die Grenze der individuellen Empfindlichkeit ist sehr unscharf. Damit ist die Differenzierung in alkoholische und nicht-alkoholische Fettleber nicht ganz klar, wird aber natürlich anamnestisch erfasst. Es gibt meistens keine fettleberspezifischen Symptome, über die Patientinnen oder Patienten klagen. Für Lebererkrankungen allgemein gilt in aller Regel, dass häufig nur Abgeschlagenheit und Müdigkeit als unspezifische Symptome auftreten. Die Diagnose einer typischen Fettleber-Hepatitis wird im Wesentlichen aus einer Bildgebung wie beispielsweise Ultraschall, die auf einen vermehrten Fettgehalt hinweist, in Kombination mit erhöhten Transaminasen GOT und GPT gestellt. Allerdings sollten im Vorfeld andere klassische Lebererkrankungen, die beispielsweise durch Virus-Infektionen verursacht sind, ausgeschlossen werden. Bei dieser Vorgehensweise handelt es sich in einem gewissen Umfang um eine klassische Ausschlussdiagnostik. Letztendlich ist nur eine Leber-Biopsie beweisend.

 

Welche Folgeerkrankungen kann eine nicht-alkoholische Fettleber verursachen, wenn sie nicht frühzeitig erkannt und behandelt wird?

Die nicht-alkoholische Fettleber kann unbehandelt zu einer Fettleber-Entzündung, die wir als NASH, als nicht-alkoholische Steatohepatitis bezeichnen, führen. Diese Entzündung, die mit einem Gewebe-Untergang und Vernarbung vergesellschaftet ist, kann zu einer Fibrosierung und am Ende zu einer Zirrhosebildung, also einer bindegeweblichen Vermehrung, bis hin zum Vollbild eine Leberzirrhose führen. Im Rahmen einer nicht-alkoholischen Fettleber neigen sowohl die Leberzirrhose als auch die entzündete Fettleber zu einer Tumorbildung, dem Leberzellkrebs. Die nicht-alkoholische Fettleber ist eine sogenannte Indikator-Erkrankung: Man stirbt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, wenn man eine Fettleber-Entzündung hat. Die Fettleber kann also auch als eine hinweisende Erkrankung für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung gesehen werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei der Erkrankung nicht-alkoholische Fettleber?

Es gibt keine zugelassenen Medikamente. Die Therapie zielt in erster Linie auf eine Lebensstil-Veränderung, die mehr Bewegung und eine Ernährungsumstellung umfasst. Dabei stehen der Verzicht auf Kohlenhydrate, die von der Leber in Fette umgewandelt werden, und eine gewichtsadaptierte Kalorienreduktion im Fokus. Je übergewichtiger der Patient ist, umso mehr sollte reduziert werden. Es wird empfohlen, körperliche Aktivitäten zu entfalten. Beispielsweise fünf bis sieben Trainingseinheiten pro Woche, in denen über mindestens 20 Minuten eine Pulserhöhung gewährleistet ist – gerne auch längere Einheiten. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Ansätzen, die verschiedene Facetten der Lebererkrankung verbessern. Beispielsweise belegen Studien, dass die Zufuhr von Vitamin E eine nicht alkoholbedingte Entzündung der Leber verbessern. Es ist jedoch noch nicht gelungen, eine Reduzierung der Bindegewebsvermehrung herbeizuführen.

Wird nach neuen Therapien zur Behandlung der nicht-alkoholischen Fettleber bereits geforscht?

Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2025 etwa 55 Millionen US-Amerikaner und Europäer an einer nicht-alkoholischen Leberentzündung leiden. Es handelt sich also um einen potenziell sehr großen Markt, der für die Pharma-Industrie extrem interessant ist und dazu motiviert, nach neuen Therapien zu forschen. Es gibt aktuell viele Therapie-Ansätze. Am weitesten entwickelt ist die Forschung im Bereich Obeticholsäure, die in die Regulationsvorgänge von Fetten und Gallensäuren im Magen-Darm-Leber-Trakt eingreift. Auch manche Antidiabetika haben einen Effekt auf bestimmte Faktoren im Bereich der Leber. Doch ich wiederhole, dass bislang kein Medikament im Rahmen einer Zulassung verwendet werden kann.

Wie beurteilen Sie als Experte für Lebererkrankungen aus Ihrem praktischen Klinik-Alltag die Aufmerksamkeit, die Patientinnen und Patienten dem lebenswichtigen Organ Leber schenken? Sind sich die Menschen des Stellenwertes ihrer Leber und der Abhängigkeit der Lebergesundheit von Lebensstil und Ernährung bewusst?

Diese Frage wird ganz unterschiedlich beantwortet, abhängig davon, ob sie in Asien oder in Europa und Deutschland gestellt wird. In unterschiedlichen Nationen gibt es ganz unterschiedliche Krankheitswahrnehmungen bestimmter Organe. Europäer sind eher herzfokussiert. In Asien spielt die Leber aufgrund der höheren Anzahl von Lebererkrankungen eine größere Rolle im öffentlichen Bewusstsein. Bei uns in Deutschland ist kein gutes Bewusstsein für Lebererkrankungen ausgeprägt. Dies betrifft nicht nur die Patienten, sondern auch viele hausärztliche Praxen. Ich habe eine große Anzahl von Patienten, bei denen teilweise über Jahrzehnte erhöhte Leberwerte festgestellt worden sind, bevor man überhaupt über Ursachenforschung nachgedacht hat. Wir haben eine Vernachlässigung des Organs Leber in Deutschland. Um dem entgegenzuwirken, wurde für den diesjährigen Deutschen Lebertag das Motto „An die Leber denken!“ ausgewählt. Es bedarf einer Stärkung des Bewusstseins für die Leber und für die Tatsache, dass man an Lebererkrankungen sterben kann.

Für die meisten Patientinnen und Patienten ist die hausärztliche Praxis die erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen oder für Vorsorgeuntersuchungen. Sehen Sie hier für die frühzeitige Diagnose der Erkrankung nicht-alkoholische Fettleber noch Optimierungsmöglichkeiten? Anders gefragt: Wird das Motto des diesjährigen Deutschen Lebertages „An die Leber denken!“ Ihrer Ansicht nach in hausärztlichen Praxen ausreichend umgesetzt?

Da Vorsorgeuntersuchungen wie beispielsweise Check-up 35 keine Leberwerte beinhalten, ist eine Vernachlässigung von Lebererkrankungen in der hausärztlichen Primärbetrachtung gegeben. Folglich wird das Motto des diesjährigen Deutschen Lebertages noch nicht ausreichend umgesetzt. Aktuell startet in Rheinland-Pfalz und im Saarland das Lebervorsorge-Programm „Strukturierte Früh-Erkennung einer Asymptomatischen Leberzirrhose“, kurz SEAL. Mit SEAL soll die Frage beantwortet werden, ob ein Screening auf erhöhte Leberwerte zu einer früheren Diagnose von chronischen Lebererkrankungen führt. Erstmalig in Deutschland werden im Rahmen dieses Programms auch die Leberwerte in den Check-up 35 aufgenommen. Der Hintergrund für dieses Pilotprojekt ist, dass eine Leberzirrhose, also eine sehr weit fortgeschrittene Lebererkrankung, in der Mehrzahl der Fälle erst in einem Komplikationsstadium diagnostiziert wird – häufig ist es dann bereits für eine adäquate Therapie zu spät. Mit SEAL soll der Stellenwert von Lebertestungen belegt werden, damit diese hoffentlich bald in Deutschland bundesweit etabliert werden.

Herr Professor Galle, was tun Sie persönlich für Ihre Lebergesundheit, und haben Sie einen „Alltagstipp“ für mehr Lebergesundheit?

Ich empfehle ein Mehr an körperlicher Aktivität: Treppensteigen anstatt den Aufzug nehmen oder mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahren, es gibt viele Möglichkeiten mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren. Als leidenschaftlicher Marathonläufer betreibe ich Sport in einer hohen Intensität, täglich eine Stunde. Meistens ist es das Laufen, denn diese Sportart kann ich auch, wenn ich beispielsweise dienstlich in einer anderen Stadt auf einem Kongress bin, ohne besonderes Equipment ausüben. Selbstverständlich ist eine so hohe tägliche Frequenz nicht für jeden machbar, doch schon kleine Bewegungseinheiten in Kombination mit einer Bewusstheit bei der Ernährung sind von hoher Relevanz.

Quelle: Deutsche Leberstiftung, Deutsche Leberhilfe e. V., Gastro-Liga e. V.

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