02.02.2017

Bisherige Einteilung in gute und schlechte Fette erscheint überholt

Kurzkettige Fettsäuren gehören zu den gesättigten Fettsäuren, sind aber für Immunsystem und Stoffwechsel essentiell. Das widerlegt die bisherige Einteilung der gesättigten Fettsäuren gleich "schlecht" und der ungesättigten Fettsäuren gleich "gut".

„Ungesättigte Fettsäuren sind gut für den Körper, gesättigte Fettsäuren sind schlecht für den Organismus" - diese simple Ernährungsregel, die vor allem auch überdeckt, dass die Deutschen in Summe heute rund ein Drittel mehr Fett essen, als gut für sie wäre, hielt sich in den vergangenen Jahren hartnäckig in Medizin und Forschung. Inzwischen gibt es außerdem immer mehr Erkenntnisse, die belegen: Diese einfache Schwarz-Weiß-Formel trifft so nicht zu. Denn manche vermeintlich "schlechten" gesättigten Fettsäuren sind für den Körper lebenswichtig und positiv. In den Fokus rücken dabei besonders die kurzkettigen Fettsäuren, zu denen es aktuell besonders viele Forschungsarbeiten gibt.

Unbestritten ist: „Für die Prävention ernährungsmitbedingter Krankheiten spielen sowohl die Menge des verzehrten Fettes als auch die Qualität eine entscheidende Rolle", wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihrer "Leitlinie Fett" aus dem Jahr 2015 formuliert. Die DGE hat im Jahr 2010 in einer Auswertung von Interventionsstudien mit über 13.600 Teilnehmern herausgefunden, dass ein hoher Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren zusammen mit einem niedrigen Anteil gesättigter Fettsäuren das Risiko für koronare Herzkrankheiten (wie Herzinfarkte) senkt.

Die Bundesbürger konsumieren heute insgesamt zu viel Fett. Der aktuellste vorliegende Ernährungsbericht, der auf den Daten der Nationalen Verzehrstudie II basiert, kommt zu dem Schluss: „Der Fettanteil der Nahrung liegt sowohl bei Männern als auch bei Frauen um rund ein Drittel zu hoch." Die DGE empfiehlt heute, etwa 30 Prozent des Energiebedarfs mit Fett zu decken.

Allerdings ist Fett nicht gleich Fett. Chemisch betrachtet bestehen alle Fettsäuren aus einer variablen Anzahl an Kohlenstoffatomen (C), die miteinander verbunden sind. Aus der Gesamtzahl der C-Atome und daraus, wie und wo diese C-Atome miteinander "verkettet" sind, ergibt sich die wissenschaftliche Einteilung. Ungesättigte Fettsäuren haben eine oder mehrere Doppelbindungen (einfach oder mehrfach ungesättigt), gesättigte Fettsäuren verfügen über solche nicht. Nach ihrer Länge werden Fettsäuren in "kurzkettig" (bis zu sechs C-Atome), "mittelkettig" (circa acht bis zwölf C-Atome) oder "langkettig" (mehr als zwölf C-Atome) eingeteilt.

Allgemein trifft die DGE die Feststellung: „Hinsichtlich der Fettqualität sollten gesättigte Fettsäuren durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren ausgetauscht werden." Ein Zehntel des täglichen Energiebedarfs könne dabei aus gesättigten Fettsäuren stammen, das entspricht beim durchschnittlichen Erwachsenen etwa einer Menge von rund 20 Gramm reinem gesättigten Fett. Gemeint sind damit vor allem (eher langkettige) tierische Fette, wie sie in Butter, Wurst oder Fleisch vorkommen. Mehrheitsmeinung in der Wissenschaft ist heute: Für einen ungünstig hohen Wert an "schlechtem" Cholesterin sind besonders auch isolierte Kohlenhydrate beispielsweise aus Weißmehlprodukten, Süßigkeiten und salzigen Snacks mitverantwortlich.

Die eindimensionale Einteilung nach gesättigten Fettsäuren als "schlecht" und ungesättigten Fettsäuren als "gut" für den Körper übersieht einen wesentlichen Aspekt. Das liegt besonders an neuen Erkenntnissen aus Studien mit kurzkettigen gesättigten Fettsäuren. Kurzkettige Fettsäuren sind Essigsäure, Buttersäure und Propionsäure. Sie spielen im menschlichen Organismus - primär im Darm - eine entscheidende Rolle: Einige für ein funktionierendes Immunsystem sowie einen optimalen Fett- und Zuckerstoffwechsel besonders wichtige Bakterien brauchen besondere Bedingungen, damit sie im Darm ihren Job machen können. Ihnen dienen kurzkettige Fettsäuren als Nahrungsgrundlage.

Unsere Darmbakterien selbst produzieren kurzkettige Fettsäuren. Damit sie diese herstellen können, benötigen sie Pflanzenfasern aus Obst und Gemüse. „Die faserarme Ernährung unserer westlichen Welt mit einem hohen Gesamtanteil an Zucker und Fett hat jedoch dazu geführt, dass der Darm bei vielen Menschen hierzulande verarmt ist", erklärt der langjährige Klinikdirektor an der Berliner Charité, Prof. Wolfram Sterry, der sich in den vergangenen Jahren intensiv mit kurzkettigen Fettsäuren beschäftigt hat. Konkret heißt das: Da die Bakterien ohne pflanzliche Fasern nicht überleben können, kommen sie in der Darmflora vieler Menschen in sehr geringer Zahl oder unter Umständen gar nicht mehr vor. Fasst man die Ergebnisse der aktuellen Studien zum Thema zusammen, heißt das: Es entstehen zu wenige kurzkettige Fettsäuren im Körper beziehungsweise im Darm.

In zahlreichen Studien, unter anderem an der Ruhr-Universität Bochum und an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, sind eine Reihe von Wirkungen vielfach nachgewiesen: Sie regen im Körper die Produktion so genannter regulatorischer T-Zellen an, die Entzündungen im Körper unterdrücken. Das ist besonders bei der Prävention von Erkrankungen wichtig, bei denen der Körper fälschlicherweise die Immunabwehr in Stellung bringt, wie beispielsweise bei Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

„Auch bei Autoimmunkrankheiten wie Asthma, Rheuma und anderen entzündlichen Gelenkerkrankungen oder auch bei Morbus Crohn, einer Autoimmunerkrankung der Darmschleimhaut, sind diese regulatorischen T-Zellen von großer Bedeutung", erläutert Prof. Sterry. Bereits in den neunziger Jahren haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass kurzkettige gesättigte Fettsäuren dabei helfen können, die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse anzukurbeln und gleichzeitig die Empfindlichkeit der Körperzellen gegenüber Insulin zu erhöhen - und damit Diabetes vorzubeugen.

Es gibt Studien, die daraufhin deuten, dass sich die ernährungsbedingte Fehlentwicklung möglicherweise ausgleichen lässt, indem die kurzkettigen Fettsäuren von außen zugeführt werden - zum Beispiel in Form so genannter Propionate (Salze der Propionsäure). Das muss aber noch näher untersucht werden.

Quelle: NewsWork AG

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