23.01.2023

Fortschritte im Kampf gegen Gallengang- und Gallenblasenkrebs

Biliäre Karzinome haben bisher eine schlechte Prognose. Hoffnung machen jedoch Fortschritte in der Medizin und Forschung, die zur Aktualisierung der Behandlungsleitlinien geführt haben.

Krebserkrankungen der Gallengänge und Gallenblase werden auch Biliäre Karzinome (englisch: biliary tract cancer = BTC) genannt. Sie sind selten und machen weniger als ein Prozent der bösartigen Neubildungen beim Menschen aus. Insgesamt haben BCT eine schlechte Prognose. Fünf Jahre nach der Diagnose leben nur noch 10 bis 20 Prozent der Betroffenen. Hoffnung machen jedoch Fortschritte in der Medizin und Forschung, die zur Aktualisierung der Behandlungsleitlinien der European Society for Medical Oncology (ESMO) geführt haben (siehe Annals of Oncology, online seit 10.11.2022).

Gastroenterologe Prof. Dr. Arndt Vogel der Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und Mitglied des ESMO-Lenkungsausschusses hat maßgeblich an der Aktualisierung mitgewirkt: „Aus systemischer Sicht gibt es drei bedeutende Änderungen, die alle Ebenen der Behandlung betreffen. Wir können erstmals klare Empfehlungen für adjuvante Therapien geben.“ In der Erstlinienbehandlung setzt sich die Immuntherapie durch, und in der Zweitlinie bestehen mittlerweile zugelassene Optionen für die zielgerichteten Therapien mit der Empfehlung, sehr frühzeitig die molekulare Testung zu machen.

„Eine Chance auf Heilung besteht derzeit nur bei einer Operation im Frühstadium, wobei leider viele Patienten bei Erstdiagnose nicht operabel sind“, erklärt Prof. Vogel, der als leitender Oberarzt in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie tätig ist. Trotz radikaler Resektion bestünde zudem ein hohes Rückfallrisiko der Krebserkrankung. Um nach einer Operation mögliche, aber bisher noch nicht nachweisbare Tumorabsiedlungen unterstützend zu bekämpfen, sei zunehmend ergänzende Behandlungsmaßnahmen, sogenannte adjuvante Therapiekonzepte, diskutiert worden. „Lange Zeit gab es keine klaren Empfehlungen für adjuvante Therapien nach Operation biliärer Tumoren. Nun haben wir dank der BILCAP-Studie eine Empfehlung für eine postoperative Chemotherapie mit dem Zellwachstum hemmenden Arzneistoff Capecitabin, wodurch das Gesamtüberleben der Patientinnen und Patienten verbessert wird.“

Weiterhin könne man auf eine positive Studienlage zur Immuntherapie beim Gallengangskrebs blicken, berichtet Vogel. Bei einer Immuntherapie wird die körpereigene Immunabwehr gezielt aktiviert, um Krebszellen aufzuspüren und anzugreifen. Zum Einsatz kommen verschiedene Methoden wie beispielsweise Immuncheckpoint-Inhibitoren.

Die Suche nach genetischen Veränderungen mithilfe molekularer Sequenzierung hat in der Vergangenheit zu bedeutenden Erfolgen bei der Behandlung von Krebs geführt. „In den vergangenen fünf Jahren sind wir hier auch bei den biliären Tumoren im Durchbruch“, betont Vogel. „Fast 40 Prozent der Patienten mit Gallenwegstumoren weisen genetische Veränderungen auf, die potenzielle Ziele für die Präzisionsmedizin darstellen und für die wir heute zielgerichtete Therapien haben.“ Den Empfehlungen des ESMO-Expertenkomitees zufolge sollen diese Patienten frühzeitig, noch vor oder während der Erstlinientherapie, eine umfassende genetisch Analyse bekommen und mit den bereits zugelassenen Medikamenten der Food and Drug Administration (FDA) und der European Medicines Agency (EMA) behandelt werden.

„Die zielgerichtete molekulare Sequenzierung ist ein ganz essenzieller Baustein“, betont Vogel. Wichtig sei, dass die Patientinnen und Patienten in einem Molekularen Tumorboard besprochen werden. Aufgabe eines solchen organübergreifenden, interdisziplinären Tumorboards ist es, Therapiemöglichkeiten für schwer an Krebs erkrankte Menschen nach Ausschöpfung der leitliniengerechten Behandlung aufzuzeigen. Das Molekulare Tumorboard ist das zentrale Instrument der Personalisierten Medizin und wird in spezialisierten Zentren wie z.B. dem Comprehensive Cancer Center der MHH angeboten.

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover


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