13.12.2021
Mit Fieber keinen Sport treiben
Sport fördert eigentlich die Gesundheit. Doch bei viralen Infekten wie Erkältungen oder gar einer Grippe kann Training riskant sein. Das gilt insbesondere für ambitionierte Hobbyathleten.
Daniel Engelbrecht hätte seinen Überehrgeiz fast mit dem Leben bezahlt. 2013 brach der frühere Fußballprofi bei einem Drittliga-Spiel zusammen und musste reanimiert werden. Ursache für seinen Herzstillstand war eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis). Der Auslöser für die Entzündung könnte eine verschleppte Grippe gewesen sein, lautete damals die Vermutung der Ärzte. „Ich wollte in die Bundesliga und habe alles dafür gegeben“, erzählte Engelbrecht im März dieses Jahres in einem Interview mit dem Kurier, der Hochschulzeitung der Deutschen Sporthochschule Köln. Er habe mit einer Erkältung trainiert und sogar versucht, mit einer Grippe weiterzumachen. „Und da werde ich mir irgendwann mal diese Herzmuskelentzündung eingefangen haben.“ Heute lebt der 31-Jährige nach sechs Herzoperationen mit einem Defibrillator.
Sport gilt als gesund und stärkt in aller Regel das Immunsystem. Doch wer bei einer Grippeinfektion keine Pause macht oder wenigstens die Intensität reduziert, geht unter Umständen ein hohes Risiko ein. Gerade jetzt in der kalten Jahreszeit, in der deutlich mehr Viren unterwegs sind und Menschen eher krank werden, ist Vorsicht geboten.
Daniel Engelbrecht ist ein warnendes Beispiel, wenn auch ein eher seltenes. Zwar hat die Myokarditis nach Angaben der Deutschen Herzstiftung in etwa einem von fünf Fällen eine bleibende Herzschwäche zur Folge und kann manchmal sogar zum Herztod führen. „Eine Herzmuskelentzündung sehen wir aber zum Glück sehr selten“, berichtet der Leitende Olympiaarzt Prof. Bernd Wolfarth von der Berliner Charité. Falsches Sporttreiben führe eher zu Infekten der oberen Atemwege.
Als weitere mögliche Folgen nennt der Sportmediziner Felix Post unter anderem Asthma oder Muskelverletzungen. Muskelfaserisse und ähnliches könnten entstehen, weil durch die Entzündung mehr schädliche freie Radikale im Körper zirkulierten, erklärt der Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Kardiologie am Katholischen Klinikum Koblenz - Montabaur. Zudem leide die Propriozeption, also die Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum, und die Muskeln arbeiteten weniger koordiniert.
Auch wenn bei leichten Erkältungen dosierte Bewegung wie ein Spaziergang die Heilung unterstützt: „Wenn man das Gefühl hat, man hat einen Infekt mit einem schweren Krankheitsgefühl, dann sollte man keinen Sport machen“, erklärt Post.
Doch wo genau liegt die Grenze? Einen ersten Hinweis bietet der sogenannte Neck Check, wie die beiden Experten bestätigen. Das heißt: Symptome oberhalb des Nackens (englisch: neck) wie Schnupfen oder leichtes Kopfweh lassen körperliche Aktivität in der Regel noch zu, zumindest solche mit niedriger Intensität.
Hat eine Erkrankung aber nicht nur diese lokalen, sondern auch systemische Effekte wie z. B. Fieber, dann sollte man auf Sport verzichten, erläutert Bernd Wolfarth. Damit meint der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) etwa Gliederschmerzen, geschwollene Lymphknoten - und vor allem Fieber.
Fieber ist ein absolutes No Go, so Felix Post. Denn es zeigt an, dass der Körper einen viralen oder manchmal auch einen bakteriellen Infekt bekämpft. Bei einem Virusinfekt kommen die Viren über die Atemwege in die Lunge und befallen dann weitere Zellen. Das Immunsystem fährt hoch und versucht, den Krankheitserreger auszuschalten.
Treibt ein Mensch in dieser Phase Sport, belastet er sein Immunsystem zusätzlich. Es gerät unter Stress und kann die Erkrankung nicht mehr angemessen bekämpfen. „Wenn ein bakterieller oder viraler Erreger eindringt, hat er es bei doppelter Belastung leichter, sich im Körper auszubreiten“, erklärt Bernd Wolfarth. „Wer Fieber hat, gehört also ins Bett und nicht auf die Laufbahn oder den Fußballplatz.“
Warum ein gestresstes Immunsystem im einen Fall eher zu einer Lungenentzündung führe, im anderen aber das Herz belaste, das könne niemand genau sagen, so Wolfarth. Und wie schwerwiegend die Folgen werden können, sei am Ende vor allem eine Frage der Viruslast beziehungsweise des Umfangs der Entzündung.
Wer nun glaubt, dass bei Infekten besonders Leistungs- und Spitzensportler gefährdet sind, weil sie sich die größten Belastungen zumuten, liegt falsch. So sagt Felix Post: „Das Problem sind meistens ambitionierte Freizeitsportler, die trainieren zum Teil härter als Profis.“ Allerdings nicht unbedingt sinnvoller. Bernd Wolfarth weist darauf hin, dass Hobbysportler häufig eine weniger ausgeprägte Grundfitness haben als Leistungssportler und ein schlechteres Bio-Feedback - sie können also nicht gut einschätzen, wann es zu viel wird. Daher seien sie stärker gefährdet, sich zu überfordern und damit zu schädigen. Dazu kommt: Weil sie in aller Regel medizinisch und sportfachlich schlechter betreut seien als Profisportler mit ihren Trainern und Ärzten, fehlten häufig auch die Warnhinweise von außen.
Wer also wirklich krank ist, sollte sich schonen und danach nur langsam wieder einsteigen. Dabei gilt den Medizinern zufolge: Bei einer nicht allzu schweren Erkältung sollte man vor dem sportlichen Neustart mindestens zwei bis drei Tage symptomfrei sein, bei einem Infekt mit Fieber und Muskelschmerzen eine Woche. Im Fall einer Influenza seien zwei Wochen besser, empfiehlt Felix Post.
Bernd Wolfarth rät zu einem Wiedereinstieg mit eher statischen Sportarten: Stretching, Kraftgymnastik mit dem eigenen Körpergewicht oder dosierte Einheiten auf dem Ergometer würden das Immunsystem nur wenig in Anspruch nehmen. Auch spielerische Sportarten wie Volleyball seien sinnvoller als Ausdauersport mit seiner höheren Belastung für das Herz-Kreislauf-System. Mit Joggen sollte man in jedem Fall nur langsam und mit klaren Begrenzungen beginnen.
Wichtig ist Wolfarth vor allem das Folgende: Übertriebener Ehrgeiz muss vermieden werden. Für Freizeitsportler gelte bei einer viralen Erkrankung daher die Devise safety first. Auch bei Ex-Profi Daniel Engelbrecht hätte dieses Motto womöglich viel Leid verhindert.
Quelle: dpa