07.04.2009
Reizdarm kann erblich sein
Menschen mit einem nervösen Darm haben offenbar veränderte Schmerzrezeptoren im Darm...
Nervöse Störungen des Darms können genetische Ursachen haben. Diesen Zusammenhang haben Wissenschaftler des Instituts für Humangenetik des Universitätsklinikums Heidelberg entdeckt. Bisher gelten die Ursachen für das so genannte Reizdarm-Syndrom, eine der häufigsten Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, als unklar - was Diagnose und Therapie stark erschwert.
Die Forscher haben festgestellt, dass Patienten, die an einem Reizdarm mit Durchfällen leiden, häufiger bestimmte genetische Veränderungen aufweisen. Diese Veränderungen scheinen dazu zu führen, dass der Aufbau oder die Anzahl der Rezeptor-Moleküle in der Zellwand verändert ist. Die Reizweiterleitung im Verdauungstrakt wird gestört, und es kommt so zu einer Überreizung des Darms. Dadurch bedingte Störungen im Wasserhaushalt könnten eine Erklärung für die Entstehung der Durchfälle sein.
Zusammenhänge mit Depression und Schmerzempfinden
Eine entscheidende Rolle für die komplizierten Vorgänge im Verdauungstrakt spielt das Hormon Serotonin. Auf den Darmzellen sitzen verschiedene Typen von Rezeptoren, an die das Serotonin nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip bindet und so zelluläre Signale weiterleitet. Die Erforschung des Serotonin-Systems zeigt interessante Zusammenhänge auf: Die Serotonin-Rezeptoren sitzen auch auf Nervenbahnen zur Schmerzweiterleitung und könnten diese beeinflussen - was erklären würde, warum Patienten mit Reizdarmsyndrom häufig über starke Schmerzen klagen, obwohl keine krankhaften Veränderungen wie Entzündungen oder Tumore festzustellen sind. Auffällig ist auch, dass Menschen mit veränderten Rezeptoren häufiger an Depressionen leiden.
In Deutschland geht man von rund 5 Millionen Betroffenen aus, bei Frauen etwa doppelt so häufig wie Männern. Insgesamt suchen aber nur rund 20% aller Betroffenen überhaupt einen Arzt auf. Manche Patienten leiden unter Verstopfung, andere unter heftigen Durchfällen oder an einem Wechsel aus beiden. Durch die oft Monate oder Jahre andauernde Erkrankung sind das Allgemeinbefinden und die Lebensqualität der Patienten stark beeinträchtigt. Patienten mit Reizdarm-Syndrom werden nach Meinung der Heidelberger Wissenschaftler nach dem Prinzip Versuch und Irrtum behandelt. Die neuen Ergebnisse könnten nun dazu dienen, spezifische Medikamente für Patienten mit solchen Genveränderungen zu entwickeln und zu verordnen.