15.12.2022

Viele Allergiker sind auch gegen Vorratsmilben sensibilisiert

Bei ganzjährlichen Allergie-Beschwerden sollte man nicht nur an Hausstaubmilben denken, sondern auch nahe Verwandte der Spinnentiere - wie Vorratsmilben - in Betracht ziehen!

Wenn Allergiker gegen Hausstaubmilben nicht oder nur unzureichend auf eine Immuntherapie ansprechen, sollte man als Ursache nahe Verwandte der Spinnentiere in Betracht ziehen, die Vorratsmilben. Auch sie können rund ums Jahr für Beschwerden sorgen.

Von der der Allgemeinbevölkerung sind hierzulande bis zu 23,2 % gegenüber Vorratsmilben (VRM) sensibilisiert. Anders als bei Hausstaubmilben (HSM) bestehen innerhalb Deutschlands keine regionalen Unterschiede. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Insgesamt variieren die Angaben aber stark: Bei Asthmatikern werden Raten von 7–44 % beschrieben, bei Kindern solche von 11–25,5 %. Häufig besteht eine gleichzeitige Sensibilisierung gegenüber Gräsern, Frühblühern und Hausstaubmilben, berichtete PD Dr. ­Mandy ­Cuevas vom Uniklinikum Dresden.

In Deutschland gibt es vier allergologisch relevante Spezies (Glycophagus domesticus, Lepidoglyphus destructor, Acarus siro und Tyrophagus putrescentiae). Sie bevorzugen proteinreiche Nahrung zumeist pflanzlicher Herkunft. Entsprechend findet man sie in Futtermitteln, Heu und Stroh sowie in gelagerten mehl- und getreidehaltigen Lebensmitteln, teilweise auch in Käse und Schinken sowie im Hausstaub. VRM lieben es warm (25 °C) und feucht, unter 60 % Luftfeuchtigkeit können sie nicht überleben.
Wie bei den Hausstaubmilben finden sich die Allergene im Körper, in den Ausscheidungen und wahrscheinlich auch in den Eiern der Tiere. Man kennt insgesamt 37 Allergene, relevant sind insbesondere Lep d2, Tyr p2 und Gly d2.

Patienten leiden ganzjährig v.a. unter allergischer Rhinitis und Konjunktivitis, so Dr. Jan Hagemann von der Universitätsmedizin Mainz. Die Symptome umfassen dementsprechend nasale Verstopfung (häufig inklusive Riechminderung), Niesreiz und chronischem Juckreiz, oftmals Hauterscheinungen (wie Ekzeme oder Urtikaria). Auch die unteren Atemwege können betroffen sein. Viele Patienten klagen über wiederkehrenden Husten, ca. 30 % über asthmatische Beschwerden. Infolge der Symptomatik kann es zu Schlafstörungen und reduzierter Leistungsfähigkeit kommen.

Einen großen Stellenwert im Rahmen der Diagnostik hat die Berufsanamnese. „Fragen Sie die Patienten nach möglicherweise reduzierten Symptomen im Urlaub oder im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel. Dies kann wichtige Hinweise liefern – auch hinsichtlich Möglichkeiten zur Karenz“, rät Dr. Hagemann. Eine hohe Exposition besteht potenziell in folgenden Bereichen: Landwirtschaft, Tierhaltung (inkl. Labortiere, Zoohandlung), Fleischverarbeitung, Lebensmittelproduktion, Mehl- und Backwarenherstellung, Baugewerbe (v.a. feuchtigkeitsgeschädigte Gebäude) und Gärtnereien. Die Allergie auf Vorratsmilben ist zumindest bei Landwirten als Berufskrankheit anerkannt (BK-Nr. 4301) – sowohl bei Beschwerden der oberen Atemwege als auch bei Asthma.

„Bei ganzjähriger Symptomatik testen wir zunächst auf Hausstaubmilben, bei Sensibilisierung wird immer auch provoziert. Ist die Provokation negativ, schauen wir nach den Vorratsmilben“, berichtet Dr. Cuevas. Zugelassene Prick- und Provokationslösungen gibt es für Tyrophagus putrescentiae, Lepidoglyphus destructor und Acarus siro.

Eine IgE-Bestimmung erfolgt in der Praxis meist anhand nativer Reagenzien, da ohne Kooperation mit Speziallabors aktuell nur zwei rekombinante Testallergene bestellt werden können. Teilweise bestehen momentan massive Lieferschwierigkeiten.

Was die Therapie angeht, steht die Karenz an oberster Stelle. Dies bedeutet:

  • Schutzmasken (FFP2) tragen
  • Arbeitsbereich umgestalten (aber: z.B. bei Landwirten selten möglich)
  • kontaminierte Materialien wie Arbeitskleidung oder Gartengeräte vom Wohnbereich fernhalten
  • regelmäßig lüften
  • feuchte Wohnsituation vermeiden
  • keine Haustiere halten

Ein Encasing erscheint hingegen nicht nötig, für Luftreiniger gibt es bisher keine aussagekräftigen Daten, so Dr. Cuevas. Die symptomatische Therapie entspricht der bei anderen Inhalations­allergien.
Mit einer subkutanen allergenspezifischen Immuntherapie (SCIT) lassen sich bei Milbenallergie gute Ergebnisse erzielen. Zu beachten ist, dass die Rate an Kosensibilisierungen gegenüber Vorrats- und Hausstaubmilben in der Allgemeinbevölkerung 44–85 % beträgt, bei Kindern werden sogar bis zu 92 % erreicht.

Auf den Verzehr von weizen- oder maismehlhaltigen Speisen können Vorratsmilbenallergiker mit heftigen Symptomen bis hin zum anaphylaktischem Schock reagieren, vor allem wenn diese aus Fertigbackmischungen hergestellt wurden. Die zeigte eine US-amerikanische Studie mit „pancake mix“. Stehen angebrochene Packungen längere Zeit herum, sind sie mitunter stark mit Vorratsmilben kontaminiert, warnte Dr. Hagmann.

Eine nennenswerte Kreuzreaktivität zwischen Vorrats- und Hausstaubmilben besteht allerdings nicht. Die Vorratsmilben untereinander sind hingegen teils stark kreuzreaktiv, v.a. Glycophagus und Lepidoglyphus. Somit muss man die Indikation für eine Allergenimmuntherapie nach Vorrats- und Hausstaubmilben getrennt stellen. VRM-Therapieallergene sind aktuell nur als Individualrezeptur außerhalb der Therapieallergene-Verordnung (TAV) erhältlich, sofern sie nicht in einer Mischung mit anderen TAV-Allergenen enthalten sind.

Quelle: Medical Tribune am 10.10.22 & Kongressbericht: Allergiekongress 2022

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