19.09.2022

Früher Rhythmuserhalt nützt allen Patienten mit Vorhofflimmern

Alle Menschen mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern sollten zeitnah eine rhythmuserhaltende Behandlung durch Katheterablation oder antiarrhythmische Medikamente erhalten.

Patient:innen mit Vorhofflimmern profitieren von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie. Diese verhindert Komplikationen besser als die übliche Behandlung. Das hat eine vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) durchgeführte Studie ergeben (sog. EAST – AFNET 4 Studie im New England Journal of Medicine 2020) ergeben. Analysen verschiedener Untergruppen der Studienpopulation haben inzwischen gezeigt, dass dieses Ergebnis generell gilt – für alle Arten von Vorhofflimmern unabhängig von sonstigen Erkrankungen oder Besonderheiten der Betroffenen (siehe Circulation, online seit 15.8.2022). Kardiolog:innen empfehlen deshalb, allen Menschen mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern zeitnah eine rhythmuserhaltende Behandlung durch Katheterablation oder antiarrhythmische Medikamente anzubieten.

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung bei älteren Menschen mit rund zwei Millionen Betroffenen in Deutschland. Vorhofflimmern geht mit einem unregelmäßigen und oftmals schnellen Herzschlag einher, und die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, weil während der Rhythmusstörung Blutgerinnsel insbesondere im linken Herzvorhof entstehen und mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangen können. Patient:innen mit dieser Herzrhythmusstörung sterben häufig vorzeitig oder erleiden schwere Folgekrankheiten – sogar dann, wenn sie nach den aktuellen Leitlinien behandelt werden.

Vorhofflimmern wird heute üblicherweise mit Medikamenten behandelt, welche die Herzfrequenz regulieren und so den Herzmuskel vor Überlastung schützen. Außerdem erhalten Betroffene Blutgerinnungshemmer (orale Antikoagulation), um das Schlaganfallrisiko zu senken. Zusätzlich zu dieser bisher üblichen Behandlung gibt es Rhythmusmedikamente (Antiarrhythmika) und nichtmedikamentöse Maßnahmen (Katheterablation), um den normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus) wieder herzustellen und zu erhalten. Diese rhythmuserhaltenden Maßnahmen, die potentiell auch Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringen können, kamen bisher vor allem bei den Patient:innen zum Einsatz, die unter besonders schweren Symptomen leiden. Ob eine rhythmuserhaltende Behandlung nur die Beschwerden lindert oder darüber hinaus auch Komplikationen und Krankenhausaufenthalte verhindert und das Leben der Betroffenen verlängert, war bisher unklar. Dafür fehlten die wissenschaftlichen Beweise.

Die EAST – AFNET 4 (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention)-Studie hat in ihrem 2020 publizierten Hauptergebnis gezeigt: Eine frühzeitige, innerhalb eines Jahres nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnene rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten oder einer Katheterablation verhindert Todesfälle, Schlaganfälle und Krankenhauseinweisungen wegen Herzschwäche oder einem sogenannten akuten Koronarsyndrom, also einer potentiellen Durchblutungsstörung des Herzmuskels, wirksamer als die bisher übliche Behandlung. Ob dieses Ergebnis auf alle Menschen mit Vorhofflimmern zutrifft oder ob für Patient:innen mit bestimmten Besonderheiten möglicherweise Einschränkungen gelten, wurde in Subanalysen überprüft. In diesen wurden bestimmte Untergruppen der Studienteilnehmer:innen genauer unter die Lupe genommen, insbesondere solche, die bisher für eine rhythmuserhaltende Therapie eher weniger geeignet schienen.

In der neuesten Subanalyse wurde die Rolle von Begleiterkrankungen untersucht. Der wissenschaftliche Leiter Studie, Prof. Paulus Kirchhof vom Universitären Herz- und Gefäßzentrum UKE, Hamburg, erklärt: „Üblicherweise neigen wir dazu, eine rhythmuserhaltende Therapie relativ jungen und gesunden Patient:innen mit Vorhofflimmern anzubieten. Nun haben wir innerhalb der EAST – AFNET 4 Studienpopulation die Gruppe der älteren Menschen mit Vorhofflimmern und mehreren zusätzlichen Erkrankungen, insbesondere solchen, welche das Schlaganfall- sowie das Herzinfarktrisiko erhöhen, genauer analysiert und herausgefunden: Auch bei diesen Menschen verhindert eine frühe rhythmuserhaltende Therapie Komplikationen besser als die übliche Behandlung. Gerade diese sehr kranken Patient:innen sollten also vorrangig mit rhythmuserhaltenden Maßnahmen behandelt werden, um vor Folgeschäden geschützt zu sein.“

Prof. Kirchhof fasst das Fazit aller Untergruppen der Studie zusammen: „Zwei Jahre sorgfältiger Analysen in dem kompletten Datensatz der EAST – AFNET 4 Studie haben den Nutzen und die Sicherheit des frühen Rhythmuserhalts für alle Patient:innen der EAST – AFNET 4 Studie belegt. Die Ergebnisse der EAST – AFNET 4 Studie haben bereits dazu geführt, dass die Behandlung von Vorhofflimmern im klinischen Alltag bereits in vielen Zentren entsprechend angepasst wurde. Rhythmuserhaltende Maßnahmen sollten nun nicht mehr nur der Behandlung von Symptomen dienen, sondern sollten allen Menschen mit Vorhofflimmern und einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmer-assoziierte Komplikationen zeitnah nach der Diagnose angeboten werden.“ Entsprechende Empfehlungen wurden auf der Basis der EAST – AFNET 4 Studienergebnisse auch von einer internationalen Expertengruppe formuliert (siehe EP Europace, online seit 27.7.2022).

Quelle: Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)

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