12.02.2018

Warum infizierte Affen nicht an AIDS erkranken

Molekulare Unterschiede zum Immunsystem des Menschen könnten das friedliche Zusammenleben von Immunschwäche-Viren bei Affen erklären und künftig die HIV-Therapie beim Menschen möglicherweise verbessern.

Einige Affenarten können eine AIDS-Erkrankung dauerhaft verhindern, obwohl sie mit nahen Verwandten des HI-Virus infiziert sind. Die möglicherweise entscheidenden molekularen Unterschiede zum menschlichen Immunsystem hat nun eine internationale Forschergruppe bei einer Genomanalyse identifiziert: Anders als bei HIV-infizierten Menschen kommt es dadurch bei einigen Primatenarten zu keiner chronischen und damit schädlichen Immunreaktion (siehe Nature 2018, Band 553, Seite: 77–81). Die neuen Erkenntnisse tragen zu einem besseren Verständnis des Infektionsverlaufs bei und ermöglichen auf längere Sicht womöglich die Verbesserung von HIV-Therapien.

Der AIDS-Erreger des Menschen (HIV) hat seinen Ursprung in Immunschwäche-Viren verschiedener afrikanischer Affenarten (SIV). Wahrscheinlich im frühen 20. Jahrhundert sind Varianten von SIV, wohl durch die Jagd auf Affen und den Umgang mit verunreinigtem (kontaminiertem) Fleisch der Tiere, auf den Menschen übergesprungen. Doch im Gegensatz zum Menschen zeigen manche der ursprünglichen, natürlichen Affen-Wirte – wie beispielsweise die in Westafrika beheimatete Rußmangabe – auch viele Jahre nach einer SIV-Infektion und trotz hoher Viruslast keine Immunschwäche. Um herauszufinden, wie diese Primaten eine AIDS-Erkrankung verhindern, haben Forscher um Prof. Guido Silvestri von der Emory University (USA) das Erbgut der Rußmangabe vollständig entschlüsselt und mit dem Genom des Menschen sowie anderer Primatenarten verglichen. „Wir haben große Unterschiede in einigen Proteinen des Immunsystems entdeckt, die den gutartigen Infektionsverlauf von SIV in Rußmangaben erklären könnten“, berichtet Erstautor Dr. David Palesch, der nach seiner Promotion in Ulm an der Emory University forscht. Besonders auffällig ist eine Veränderung im so genannten TLR4-Rezeptor der Affenart. Dieses zelluläre Eiweiß spielt eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems durch Bakterien. Bei HIV-infizierten Menschen trägt die chronische Aktivierung des Immunsystems – beispielsweise durch Bakterien, die nach einer infektionsbedingten Darmschädigung ins Blut gelangen – entscheidend zum Ausbruch von AIDS bei. „Mittels verschiedener Methoden konnten wir nachweisen, dass der TLR4-Rezeptor der Rußmangabe nur eine geringe Aktivität aufweist. Dies könnte der Grund sein, weshalb diese Affen nicht mit einer unkontrollierten Abwehrreaktion auf eine SIV-Infektion reagieren und keine Immunschwäche entwickeln“, erläutert Daniel Sauter, Juniorprofessor am Ulmer Institut für Molekulare Virologie. Auf diese Weise kann die Rußmangabe offenbar eine gesunde Anzahl von Immunzellen aufrechterhalten und den Erreger lebenslang tolerieren.

Auch bei weiteren natürlichen SIV-Wirten, wie der Grünen Meerkatze oder dem Angola-Stummelaffen, hat die Forschergruppe die Veränderung im TLR4-Rezeptor entdeckt. Bei nicht-natürlichen Wirten wie dem Menschen oder Rhesusaffen, die beide eine chronische Immunreaktion zeigen und an AIDS erkranken, ist sie hingegen nicht vorhanden.

„Wir vermuten, dass die natürlichen Wirte von SIV im Laufe ihrer Evolution Veränderungen im TLR4-Gen entwickelt haben, die eine friedliche Koexistenz mit Immunschwäche-Viren ermöglichen – ganz ohne eine Immunschwäche zu entwickeln“, erklärt Prof. Frank Kirchhoff, Direktor des Ulmer Instituts für Molekulare Virologie.

Mit dem globalen Ansatz der Genomanalyse haben die Forscher neue Erkenntnisse gewonnen, wie die Entwicklung von AIDS verhindert werden könnte. Das Genom der Rußmangabe liefert dabei wichtige neue Ansatzpunkte für weiterführende Untersuchungen. Die Forscher hoffen, dass dadurch neue Wege gefunden werden, die schädliche chronische Aktivierung des Immunsystems durch HIV zu verhindern. Denn diese unkontrollierte Abwehrreaktion ist selbst bei optimaler Therapie zu beobachten und kann unter anderem zu einer vorzeitigen Alterung von HIV-Patienten führen.

Quelle: Universität Ulm

 

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