Borreliose: Übertragung & Häufigkeit
Übertragung
Die Lyme-Borrelien werden durch Zecken über den Stechrüssel beim Saugvorgang auf den Menschen übertragen. In Deutschland ist Ixodes ricinus, auch „gemeiner Holzbock" genannt, diejenige Zeckenart, die ganz überwiegend als Überträger auftritt. Selten wurde auch von Übertragungen durch andere blutsaugende Insekten wie z.B. Pferdebremsen, Fliegen, Mücken und Flöhe berichtet. Infektionen finden besonders in der warmen Jahreszeit von April bis Oktober statt, wenn die Zecken in Wäldern, Gräsern (meist Larven), niedrigen Büschen (Nymphen) oder Sträuchern (ausgewachsene Zecken) auf Wildtiere lauern, um bei ihnen Blut zu saugen. Zecken haben eine Vorliebe für Rauhes und halten sich daran fest, wenn sie Berührung damit aufnehmen können (z.B. Fell des vorbeistreifenden Wildes). Dabei sind sie nicht immer wählerisch und gehen auch auf vorbeispazierende Menschen über.
Die zu den Spinnentieren zählenden Zecken nehmen bei Blutmahlzeiten an wildlebenden Tieren (z.B. Nagetiere, Rotwild) den Erreger auf, ohne jedoch selbst zu erkranken. Zecken machen drei Entwicklungsstadien durch: Larve (3 Beinpaare), Nymphe und erwachsene Zecke (je 4 Beinpaare). In jedem Stadium sticht die Zecke in der Regel nur einmal, wobei vor allem die weiblichen erwachsenen Zecken auf ein Mehrfaches ihrer "nüchternen" Körpergröße anschwellen. Da die Aufnahmewahrscheinlichkeit mit jeder Blutmahlzeit wächst, sind Larven am seltensten und ausgewachsene Zecken (Adulte) am häufigsten Träger von Borrelien.
Die Wahrscheinlichkeit der Übertragung durch Borrelien-haltige Zecken hängt vor allem mit der Dauer des Saugaktes zusammen: Liegt diese unter 24 Stunden ist das Risiko einer Übertragung gering, bei längerer Dauer steigt es jedoch auf 10–25% an. Die nüchterne Zecke beherbergt im Darm Borrelien, die mit einem bestimmten Oberflächeneiweiß (OspA) umhüllt sind. Erst während des Saugaktes kommt es durch den Blutkontakt zur Änderung dieses Oberflächenproteins von OspA zu OspC. Nur OspC-positive Borrelien wandern durch die Darmwand in die Speicheldrüsen der Zecke ein und können dann den Wirt infizieren. Dieser Prozess erfordert eine gewisse Zeit (in den USA mindestens 36h, in Europa wahrscheinlich auch kürzer).
Häufigkeit
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste zeckenübertragene Infektionskrankheit in der nördlichen Hemisphäre. In Deutschland besteht keine bundesweite Meldepflicht. Es wurde jedoch in den letzten Jahren in einigen Bundesländern eine Meldepflicht für bestimmte Manifestationen eingeführt (Erythema migrans, Arthritis, Neuroborreliose). Die Zahl gemeldeter neu diagnostizierter Erkrankungen pro Jahr schwankte je nach Region zwischen 15 und 50 pro 100.000 Einwohner. Danach wird die Zahl der Neuerkrankungen auf 40.000-80.000 pro Jahr geschätzt. In prospektiven Studien ergaben sich in bestimmten Regionen zum Teil deutlich höhere Zahlen mit bis zu 150 jährlichen Neuerkrankungen/100.000 Einwohner. Das würde auf Deutschland hochgerechnet 80.000 bis über 200.000 Fälle pro Jahr bedeuten.
Keineswegs jede Infektion führt beim Mensch zu einer Erkrankung. Meist werden jedoch Antikörper gebildet, die langfristig (möglicherweise lebenslang) nachweisbar bleiben. Bei der Untersuchung von Blutproben des letzten bundesweiten Gesundheitssurveys waren bei 9,4% der Erwachsenen spezifische Antikörper nachweisbar. Dabei zeigte sich ein deutlicher Anstieg mit dem Lebensalter von ca. 6% bei den 18-40-Jährigen auf 20% bei >70-Jährigen. Bei Männern, bei der Landbevölkerung sowie in Süddeutschland waren signifikant häufiger Antikörper nachweisbar.
Je nach Region und Entwicklungsstadium sind in Deutschland 5-35% der Ixodes-Zecken mit Borrelien befallen, wobei adulte Zecken im Durchschnitt zu 20%, Nymphen zu 10% und Larven nur zu etwa 1% infiziert sind. Wahrscheinlich sind Nymphen besonders wichtige Überträger, da sie aufgrund ihrer geringen Größe kaum bemerkt werden. Obwohl I.ricinus ein sehr breites Wirtsspektrum (z.B. Mäuse, Vögel, Eidechsen, Reh- und Rotwild, Füchse, Kaninchen und Haustiere wie Rinder, Schafe, Hunde und Katzen) hat, stellen Mäuse das wesentliche Erregerreservoir dar.
In Deutschland ist nach bisherigen Erkenntnissen nach einem Zeckenstich bei 1,5–6% der Betroffenen mit einer Infektion (einschließlich der klinisch unauffälligen Fälle) und bei 0,3–1,4 % mit einer tatsächlichen Erkrankung zu rechnen. In der Mehrzahl tritt diese als so genannte Wanderröte (Erythema migrans) auf, in etwa 10% der Erkrankungen kann es unbehandelt jedoch zu ernsthafteren Komplikationen, Folgeerkrankungen und Spätschäden kommen.