12.01.2017

Warum zu wenig oder gestörter Schlaf dick und krank machen kann

Lange Abende vor dem Computer oder Fernseher, aber auch Nachtschichten fördern die Entwicklung eines Metabolischen Syndroms. Eine bessere Schlafhygiene könnte dies möglicherweise vermeiden helfen.

Ein Metabolisches Syndrom ist für Ärzte leicht zu erkennen. Die Betroffenen sind stark übergewichtig, mit einer bevorzugten Fetteinlagerung am Bauch. Sie haben einen erhöhten Blutdruck, und im Blut steigen die Zucker- und Fettwerte. In Deutschland weist etwa jeder fünfte Erwachsene diese Kombination auf, die das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht. Als wesentliche Ursachen des Metabolischen Syndroms gelten Bewegungsmangel und Überernährung. Weniger bekannt ist, dass auch Schlafmangel das hormonelle Gleichgewicht stören kann. Die Beweislage ist laut Prof. Dr. med. Sebastian M. Schmid von der Medizinischen Universitätsklinik I in Lübeck eindeutig: „Jede Stunde weniger Schlaf pro Tag ist in epidemiologischen Studien mit einer Zunahme von Übergewicht, Typ-2-Diabetes, erhöhten Cholesterinwerten und einem Bluthochdruck verbunden", erklärt der Leiter der Endokrinologie, Diabetologie & Internistischen Adipositasmedizin. Auch der Zusammenhang zwischen einer verkürzten nächtlichen Schlafdauer und einem erhöhten Sterberisiko gilt als belegt. „Chronischer Schlafmangel kann zu einem früheren Tod führen", so Prof. Schmid.

Den Ursachen sind Schmid und andere Forscher im Schlaflabor auf den Grund gegangen. Schlafentzug aber auch eine Störung des normalen Tag-Nacht-Wechsels führen dort schon in wenigen Tagen zu einer hormonellen Störung, die als Insulinresistenz bezeichnet wird. „Die Patienten haben erhöhte Blutzuckerwerte, obwohl sie vermehrt Insulin produzieren", erläutert Prof. Schmid. Außerdem verschiebt sich das Gleichgewicht von Hunger regulierenden Hormonen; Folge ist ein vermehrter Appetit. Es kommt im limbischen System des Gehirns zudem zu einer Aktivitätsänderung der Belohnungszentren. „Menschen mit Schlafmangel greifen dann gerne zu energiedichten Lebensmitteln wie Chips oder Schokoladenriegeln", berichtet der Experte aus Lübeck: „Auf Karotten oder andere gesunde Nahrungsmittel haben sie dagegen keine Lust." Nicht ausgeschlafene Menschen essen gerne und sie essen viel. Prof. Schmid fasst zusammen: „Die Studien zeigen, dass Schlafmangel Hunger, Appetit und letztlich auch die Nahrungsaufnahme steigern kann."

Aber auch zu viel Schlaf wurde in mehreren Studien mit ungünstigen Folgen wie Übergewicht und einem höheren Risiko für Diabetes in Zusammenhang gebracht, erklärt Prof. Dr. med. Matthias M. Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Das Risiko scheint besonders dann erhöht zu sein, wenn ein Zuviel an Schlaf (d. h. mehr als neun Stunden am Tag) mit wenig Bewegung verbunden ist. Für DGE-Mediensprecher Weber ergeben sich aus diesen Erkenntnissen auch neue Strategien zur Vorbeugung und Behandlung des Metabolischen Syndroms mit Lebensstilmaßnahmen. So scheint es nicht nur darauf anzukommen, nicht zu wenig zu schlafen, um eine damit möglicherweise verbundene übermäßige Kalorienaufnahme zu vermeiden. Man sollte auch auf eine optimale Balance von Aktivität und Ruhephasen mit ausreichender Bewegung und Vermeidung von übermäßigem Stress achten, was dann meist auch zu einer optimalen Schlafdauer von sieben bis acht Stunden führt.

Da es sich bei vielen dieser Untersuchungen um epidemiologische Studien handelt und die vorliegenden Interventionsstudien nur über einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen durchgeführt wurden, erscheint ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Schlafdauer und dem Risiko für Übergewicht und Diabetes hochwahrscheinlich. Dennoch sollte im Rahmen zukünftiger Studien gezielt untersucht werden, ob eine verbesserte Schlafhygiene ein Metabolisches Syndrom verhindern kann. Menschen, die infolge eines Übergewichts unter Schlafstörungen und Schlafapnoe leiden, können beispielsweise durch eine Schlafmaske (CPAP-Beatmung) ihren Schlaf verbessern und den Stoffwechsel normalisieren. Auch am Arbeitsplatz wären Veränderungen sinnvoll. „Wir benötigen optimierte Arbeitszeitmodelle, die die Beschäftigten weniger belasten", fordert Prof. Weber: „Maßgeschneiderte Beleuchtungs-, Bewegungs- und Ernährungsprogramme könnten Beschäftigten helfen, die aufgrund von Schichtarbeit ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Diabetes haben."

 

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