03.01.2020

Wie Narben entstehen

Eine neue Entdeckung, die für die Erforschung narbenloser Hautregeneration und zur Vorbeugung von Fibrose wichtig ist, haben Forschende am Helmholtz Zentrums München gemacht.

Wie genau sich Narben bilden – darüber wurde bislang unter Forschenden viel gerätselt. Nun hat ein Team des Helmholtz Zentrums München herausgefunden, dass Narben aus Teilen des Bindegewebes – der Faszie – gebildet werden (siehe Nature 2019, Band 576, Seite: 215-216). Diese und weitere Erkenntnisse erbrachten eine völlig neue Sichtweise auf Vorgänge der Wundheilung und führte darüber hinaus zu neuem Wissen im Bereich Narbenbildung und Fascia-Matrix. Beide Bereiche sind wichtig für die Erforschung narbenloser Hautregeneration und zur Vorbeugung von Fibrosen, die durch eine krankhafte Vermehrung des Bindegewebes gekennzeichnet sind. Demgegenüber ist eine anormale Narbenbildung ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko: Sie führt zu nicht heilenden chronischen Wunden oder Fibrose.

Narben werden gebildet, indem Fibroblasten, also Zellen des Bindegewebes, zur verletzten Stelle der Haut gelangen und dort mit extrazellulärer Matrix die Wunde schließen. Die Frage nach dem genauen anatomischen Ursprung und der Identität dieser Fibroblasten war bis heute nicht beantwortet. Das Team um Dr. Yuval Rinkevich, Gruppenleiter für Regenerationsbiologie am Institut für Lungenbiologie und -erkrankungen des Helmholtz Zentrums München, nahm sich dieser ungelösten Fragestellung an: Es wollte die zelluläre und anatomische Herkunft von Narben herausfinden. Die Forschenden wussten, dass alle Narben von einer Fibroblastenlinie stammen, die das Engrailed-1-Gen exprimiert, und dass diese nicht nur in der Haut, sondern auch in der Faszie vorkommt. Deshalb erforschten sie, ob tatsächlich die Faszie der Ursprung von Fibroblasten sein könnte. Sie verwendeten eine Reihe von Techniken wie das sogenannte „genetic lineage tracing“, das „anatomische Kartieren“ und die „genetischen Ablation“. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachteten daraufhin, dass die Ablation von Fascia-Zellen, zu kleineren Narben führte.

Das Team verwendete die Technik der sogenannten genetischen Ablation, eine Methode die in ausgesuchten Zellen zum Zelltod (Apoptose), führt. Dadurch wurden die Fascia-Fibroblasten ausgelöscht. Als Resultat stellten die Forscher fest, dass keine Matrix in Wunden eingearbeitet wurde und nur anormale, mit gesundheitlichen Nachteilen verbundene, Narben gebildet wurden.

Nun wollte das Team wissen, was passiert, wenn Fascia-Fibroblasten daran gehindert werden, nach oben zur Wunde wandern: Die Forschenden platzierten einen porösen Film unter die Haut und beobachteten als Folge chronisch offene Wunden. Ihre Schlussfolgerung war nun, dass die Faszie einen speziell vorgefertigten Satz so genannter Wächter-Fibroblasten enthält, der in ein bewegliches Dichtungsmaterial eingebettet ist. Dieses enthält vormontiert alle Zelltypen und Matrixkomponenten, die zur Wundheilung benötigt werden. Die Ergebnisse des Teams deuten weiterhin darauf hin, dass Charakteristika spezifischer Wunden durch manipulierte Bewegung der Faszie beeinflusst werden. Nachteilige Merkmale beispielsweise Wulstbildungen könnten durch gezieltes Eingreifen so verhindert werden.

Eine effektive Wundheilung verhindert medizinische Komplikationen. Eine universelle fibrotische Gewebereaktion verschließt Wunden und verhindert somit lebensbedrohliche Infektionen und Blutungen. Der bisherige Grundsatz der Wundheilung war, dass Narben de novo dadurch entstehen, dass Fibroblasten extrazelluläre Matrix an den Verletzungsstellen deponieren. Mit dieser Studie konnten die Forschenden nun nachweisen, dass Narben auch aus bereits vorhandenem tiefliegendem Matrixgelee gebildet werden, welches von Wächter-Fibroblasten zur offenen Wunden transportiert wird. Diese neuartigen Ergebnisse widersprechen den bisherigen Paradigmen der Wundheilung.

Das neue Wissen, dass die Faszie einer der Ursprünge von Narben ist, und die Entdeckung neuer Mechanismen der Wundheilung bieten Möglichkeiten für neuartige Therapien, um beispielsweise pathologische fibrotische Reaktionen einzudämmen und eine regenerative Heilung für verschiedenste medizinische Situationen zu induzieren.

„Die Ergebnisse geben dem Fasziengewebe eine neue Bedeutung. Die Aufmerksamkeit im Rahmen der Wundheilung wird nun nicht nur auf Fibroblasten in der Dermis, sondern auch auf den Ursprungszellen der Faszie liegen“, erklärt Rinkevich.

Donovan Correa-Gallegos, Doktorand am Helmholtz Zentrum München und erster Mitautor der Studie, kommentiert weiterhin: „Unsere neuen Erkenntnisse stellen die traditionelle Sichtweise auf das körpereigene Bindegewebsmatrixsystem in Frage und rekonfigurieren es. Dies kann neue biologische Konzepte anstoßen, um weitreichende Aspekte von Narbenerkrankungen zu beleuchten.“

Quelle: Helmholtz Zentrum München

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