26.06.2020
Adipositas erhöht Risiko für schweren COVID-19-Verlauf
Insbesondere bei jüngeren Patienten unter 50 Jahren ist übermäßiges Übergewicht (Adipositas) einer der bedeutendsten Risikofaktoren für einen schwerwiegenden Verlauf der COVID-19.
Der hohe Anteil von Menschen mit übermäßigem Übergewicht (Adipositas) an den schweren Verläufen von COVID-19 zeigt nach Ansicht des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) den bedeutenden Krankheitswert der Adipositas als chronische, entzündliche Krankheit auf. „Insbesondere Menschen mit hochgradiger Adipositas und Begleiterkrankungen muss die Gesetzliche Krankenversicherung endlich eine bedarfs- und leitliniengerechte Therapie der Adipositas anbieten“, fordert BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Bestehende Barrieren beim Zugang zu einer evidenzbasierten Therapie wie der Adipositas-Chirurgie müssten beseitigt werden.
Adipositas ist eine chronisch-fortschreitende Krankheit mit hohem Rückfall-Potenzial, die aufgrund der Vielzahl an Folge- und Begleiterkrankungen eine enorme Herausforderung für Patienten, Behandler und das Gesundheitssystem darstellt. In der Coronakrise kristallisiert sich Adipositas außerdem als einer der bedeutendsten Risikofaktoren für einen schwerwiegenden Verlauf der COVID-19-Erkrankung mit möglicher Todesfolge heraus – insbesondere für jüngere Patienten unter 50 Jahren.
So kamen Studien aus China, Großbritannien und den USA zu dem Ergebnis, dass adipöse Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko hatten, eine schwere Lungenentzündung zu entwickeln. Eine Studie aus New York sieht Adipositas sogar als zweit-relevantesten Risikofaktor neben einem hohen Alter. Eine in 14 US-Bundesstaaten durchgeführte Studie zeigte, dass adipöse Patienten insbesondere bei den unter 50-Jährigen die größte Gruppe der COVID-19-Patienten ausmachen, die stationär behandelt werden musste. Eine Studie der Universität Glasgow zeigt, dass für Adipöse das Risiko zur Hospitalisierung doppelt so hoch ist wie für normalgewichtige Patienten. Untersuchungen der Universität Liverpool zeigten, dass die Sterblichkeitsrate bei adipösen Patienten um 37% höher war.
„Die Studien zum Zusammenhang von COVID-19 und Adipositas zeigen, dass starkes Übergewicht ein Risikofaktor für einen schwereren Verlauf der Erkrankung ist“, so Möll. Grund ist nach Ansicht der BVMed-Experten, dass Adipositas nicht nur mit einer Vielzahl von Begleiterkrankungen wie Diabetes, Nierenleiden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert ist, die für sich bereits Risikofaktoren für eine Lungenentzündung und einen schweren COVID-19-Verlauf sind. Adipositas ist eine chronische, inflammatorische Krankheit. Die Fettzellen befinden sich in einem ständigen chronischen Entzündungszustand, was bei COVID-19 zu einer sehr aggressiven Entzündungsreaktion führt.
Die schweren Krankheitsverläufe und sogar Todesfälle wären vielfach vermeidbar gewesen, wenn man den Patienten mit hochgradiger Adipositas rechtzeitig eine bedarfs- und leitliniengerechte Therapie für Adipositas angeboten hätte, so der BVMed. Die Adipositas-Therapie sei aber nach wie vor keine Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der BVMed fordert daher Politik und Selbstverwaltung auf, eine individuelle, multimodale und interdisziplinäre Versorgung von Menschen mit Adipositas sicherzustellen. Dazu gehöre, dass die konservative Therapie von den Krankenkassen übernommen und die Adipositas-Chirurgie als Regelleistung anerkannt wird, die sie als evidenzbasierte Therapie nach dem Gesetz ist.
In der aktuellen Praxis wird die Adipositas-Chirurgie immer dann im Einzelfall bezahlt, wenn sich der Patient bei einem Body Mass Index (BMI) von über 40 oder einem BMI von über 35 plus Begleiterkrankungen durch eine vorherige konservative Therapie qualifiziert hat. So steht es auch in der S3-Leitlinie zur medizinischen Behandlung von Menschen mit Adipositas. „Das Problem ist aber, dass diese konservative Therapie keine Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung ist, sondern vom Patienten selbst finanziert werden muss“, so Möll. Der Patient erhält damit zum einen nicht die rechtzeitige konservative Therapie bei einem niedrigen BMI. Ist eine Operation unumgänglich, wird die konservative Therapie von den Krankenkassen als Voraussetzung für die Adipositas-Chirurgie eingefordert. „Wir brauchen dringend Änderungen an dieser Praxis, um den betroffenen Menschen besser helfen zu können“, so der BVMed.
Adipositas ist eine chronisch-fortschreitende Krankheit, die aufgrund der Vielzahl an Folge- und Begleiterkrankungen eine enorme Herausforderung für Patienten, Behandler und das Gesundheitssystem darstellt. Übergewicht und Adipositas sind nachweislich Auslöser von mehr als 60 Folge- und Begleiterkrankungen – darunter chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und Krebserkrankungen.
Quelle: Bundesverband Medizintechnologie (BVMed)
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