08.06.2020

Stoffwechselbedingte Entzündung durch Übergewicht gefährdet die Gesundheit

Fettzellen setzen insbesondere im Bauchbereich Mediatoren und Hormone frei, die eine Entzündung hervorrufen. Diese Metaflammation erhöht langfristig auch das Risiko für Diabetes und Herzinfarkt.

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Überschüssiges Fettgewebe, von dem etwa die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland betroffen sind, ist nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern vor allem ein Risiko für die Gesundheit. Die Fettzellen setzen insbesondere im Bauchbereich Mediatoren und Hormone frei, die eine schwelende Entzündung hervorrufen, und zwar sowohl lokal als auch systemisch.

Eigentlich ist Fettgewebe für den Menschen ein nützlicher Energiespeicher. „Die dort gelagerten Fettsäuren sichern das Überleben in Zeiten, in denen es wenig zu essen gibt“, erklärt Prof. Dr. med. Andreas Schäffler, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III der Justus-Liebig-Universität Gießen. Da es solche Phasen eines Nahrungsmangels hierzulande kaum mehr gibt, kommt es bei den meisten Erwachsenen im Verlauf des Lebens zu einer allmählichen Gewichtszunahme, insbesondere des metabolisch ungünstigen Fettgewebes im Bauchraum (viszerales Fettgewebe). In Deutschland hat mittlerweile mehr als die Hälfte der Bevölkerung einen Body-Mass-Index (BMI) von über 25 kg/m2 und gilt deshalb als übergewichtig. Einer von sechs ist mit einem BMI von über 30 sogar fettleibig oder adipös. „Normalgewicht ist in Deutschland nicht mehr der Normalfall“, betont Schäffler, Tagungspräsident des diesjährigen Hormonkongresses in Gießen, der vom 4.-6.3. in Gießen stattfand. Nicht wenige übergewichtige Menschen erkranken im Verlauf des Lebens auch an einem Typ-2-Diabetes. In Deutschland ist dies mittlerweile fast jeder zehnte Erwachsene.

Übergewicht und Adipositas sollten nicht als „ästhetisches Problem“ wahrgenommen werden. Zentral ist: Sie gefährden die Gesundheit. Denn die Fettzellen produzieren eine Reihe von Hormonen und greifen damit aktiv in den Stoffwechsel ein. Bei übergewichtigen und adipösen Menschen kommt es dabei zu einer Entzündungsreaktion. „Bei einer Blutuntersuchung beim Hausarzt zeigt sich dies in einem Anstieg des C-reaktiven Proteins“, erläutert Schäffler. In einem detaillierten Laborbericht sei meist auch die Konzentration von Interleukin-1 und -6, dem Tumornekrosefaktor und Leptin erhöht.

Hormonexperten bezeichnen diese durch den Stoffwechsel (Metabolismus) ausgelöste Entzündung (Inflammation) als Metaflammation. In diesem Kontext entzündet sich auch lokal das Fettgewebe im Bauchraum (Adipoflammation), was das Stoffwechselrisiko unmittelbar erhöht. „Die Folgen sind mittlerweile gut untersucht“, berichtet Schäffler. „Langzeitstudien zeigen, dass Menschen mit einem erhöhten C-reaktiven Protein häufiger Herzinfarkte oder Schlaganfälle erleiden. Die Blutgefäße verkalken auch dann, wenn die Cholesterinwerte normal sind.“ Die Entzündungsreaktion ist dem Experten zufolge auch an der Entwicklung des Typ-2-Diabetes beteiligt.

Die Metaflammation ist aufgrund dieser Beobachtungen zum Ansatzpunkt für neue Behandlungen geworden. „Es gibt mittlerweile Antikörper, die gezielt die Entzündungsreaktionen im Körper angehen“, erklärt Prof. Dr. med. Matthias Weber von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Ein solches Mittel ist der Antikörper Canakinumab. Das Mittel ist seit 2009 in Deutschland zugelassen. Einsatzgebiet sind schwere Rheuma-Erkrankungen wie die systemische juvenile idiopathische Arthritis oder eine Gichtarthritis. Und schließlich war umgekehrt schon seit Längerem bekannt, dass eine antientzündliche Behandlung aufgrund von primärem Rheuma gleichzeitig bestehende Stoffwechselerkrankungen verbesserte.

Canakinumab wurde in einer größeren klinischen Studie an mehr als 10 000 Patienten erprobt, die schon einmal einen Herzinfarkt erlitten hatten und bei denen das C-reaktive Protein erhöht war. Die Behandlung war jedoch nur teilweise ein Erfolg. DGE-Mediensprecher Weber erläutert: „Canakinumab senkte zwar die Konzentration des C-reaktiven Proteins. Es kam auch zu 15 Prozent seltener zu erneuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ Doch die Blockade der Entzündungsreaktion hatte laut Weber leider auch einen Anstieg von Infektionen zur Folge, von denen einige tödlich endeten.

„Wir haben deshalb noch kein geeignetes Medikament gefunden, das Menschen mit Adipositas oder Typ-2-Diabetes vor den Auswirkungen der Metaflammation schützt“, fasst Weber zusammen. Für die Betroffenen bleibt allerdings die Möglichkeit, durch eine Diät das Fettgewebe abzubauen oder sich einer Operation mit Magenverkleinerung oder Darmverkürzung zu unterziehen. Beide Wege sind laut Weber vielversprechend: „Die Entzündungsreaktion im Körper geht zurück, der Patient nimmt ab und häufig verschwindet auch der Diabetes. Die Natur des Menschen führt jedoch dazu, dass die Mehrzahl der Betroffenen stattdessen lieber ein Medikament einnehmen würden.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

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