Vogelgrippe (aviäre Influenza)

Verbreitung und Vorkommen

Das natürliche Wirtsreservoir der Influenza A-Viren sind wildlebende Wasservögel, bei denen sie meist nur beschwerdefrei verlaufende Infektionen verursachen. Die Viren können auf das Hausgeflügel übergehen und milde Erkrankungsformen verursachen, die sich vornehmlich als Leistungseinbußen bei intensiv gehaltenem Geflügel zeigen (niedrig pathogene aviäre Influenzaviren). Vor allem Viren der Subtypen H5 und H7 können in Hühnervögeln wie Huhn, Pute, Fasan u.a. jedoch zu stark krankmachenden Varianten mutieren. Solche hoch pathogenen aviären Influenzaviren sind die Erreger der Klassischen Geflügelpest, einer akut und mit sehr hoher Ansteckungsgefahr verlaufenden Infektion, die hohe Sterberaten beim Geflügel verursacht und daher weltweit tierseuchenrechtlich kontrolliert wird. Von der Krankheit befallene Vögel bekommen Fieber, Atembeschwerden und Durchfall. Nach wenigen Tagen erkranken schlagartig fast alle Tiere einer Population. Sie legen keine Eier mehr und können innerhalb von Stunden bis Tagen sterben. Wildvögel, Wasservögel und Tauben sind seltener betroffen. Trotz erheblicher Anstrengungen der betroffenen Länder bleiben seit etwa 2003 weite Teile Südostasiens sowie Ägypten anhaltend von endemischen Infektionen mit aviären Influenzaviren des hochpathogenen Subtyps A(H5N1) betroffen. Einschleppungen dieses Virus in Wildvogelpopulationen sowie vereinzelte Ausbrüche in Hausgeflügelbeständen wurden seit 2003 auch in Europa sowie in Deutschland nachgewiesen.

Infektionen beim Menschen

Virologisch nachgewiesene menschliche Infektionen mit aviären Influenzaviren summieren sich seit 1959 auf über 1.500 dokumentierte Fälle. Die Mehrzahl dieser Fälle stammt aus der Zeit nach 2003. Sie sind entweder auf Infektionen mit H5N1-Viren vornehmlich in Südostasien und Ägypten oder auf H7N9-Viren vornehmlich in China zurückzuführen. Andere Subtypen aviärer Influenzaviren haben bisher nur in wenigen Einzelfällen zu Erkrankungen des Menschen geführt. In Deutschland wurden bisher keine Fälle von aviärer Influenza beim Menschen gemeldet.

Aviäre Influenzaviren sind bisher nicht gut an den Menschen angepasst. Eine Übertragung kann erfolgen bei engem Kontakt zu infiziertem, erkranktem oder totem Geflügel oder zu mit Geflügelausscheidungen verunreinigter Umgebung. Der Verzehr ausreichend erhitzter bzw. durchgegarter Geflügelprodukte stellt keine Infektionsquelle dar. Über wahrscheinliche Mensch-zu-Mensch Übertragungen wurde bisher nur in wenigen Einzelfällen berichtet. Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 5 Tage. Als erstes Symptom tritt meist Fieber auf, begleitet oder gefolgt von Husten und Atemnot. Auch gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und insbesondere Durchfall können auftreten. Die menschlichen Erkrankungen mit aviären Influenzaviren gehen meist mit einer Beteiligung der unteren Atemwege einher, da sich an den Epithelzellen des unteren Atmungstrakts von Menschen offenbar mehr Rezeptoren zum Anheften dieser Viren befinden. Unter diesen Fällen ist die Sterblichkeit mit 20% bis 60%, je nach aviärem Virussubtyp und regionalem Stamm, sehr hoch.

Die Diagnose erfolgt am besten durch den Virusnachweis mittels PCR mit nachfolgender Typisierung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Therapie mit Neuraminidasehemmern (s. saisonale Influenza), da sich in Beobachtungsstudien eine Verringerung der Sterblichkeitsrate zeigte. Vergleichbar mit der saisonalen Influenza ist eine Therapieeinleitung möglichst frühzeitig nach Erkrankungsbeginn, optimalerweise innerhalb der ersten 48 Stunden, anzustreben. Impfstoffe gegen Influenza A (H5N1) sind in Deutschland zugelassen und können z.B. für beruflich exponiertes Personal in Speziallaboratorien bzw. Forschungseinrichtungen eingesetzt werden oder wenn es tatsächlich zu Ausbrüchen kommen sollte.

Die Angst vor einer neuen Pandemie

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beobachtet die Vogelgrippe sehr genau. Wenn Vogel-Viren die Artengrenze überspringen und sich mit menschlichen Grippe-Viren kreuzen, d.h. genetisches Material untereinander austauschen, können sehr gefährliche neue Viren mit Pandemie-Potenzial entstehen. Daher besteht die Sorge, dass eines Tages wieder eine große Grippe-Pandemie ausbrechen könnte. Tatsächlich kursierten in den letzten 500 Jahren rund 70 Influenza-Pandemien mit vielen Millionen Todesfällen. Es ist also wahrscheinlich und wohl nur eine Frage der Zeit, dass es auch in Zukunft derartig heftige Grippe-Pandemien geben wird, deren Folgen auch von der modernen Medizin nicht gänzlich abgefangen werden können. Das Berliner Robert Koch-Institut rechnet bei einer neuen Pandemie allein in Deutschland mit bis zu 90.000 Todesfällen innerhalb von 4 bis 6 Wochen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit 2 bis 7 Millionen Todesopfern weltweit. Eine solche Pandemie würde voraussichtlich in zwei Wellen kommen. Die dann sogleich einsetzende Produktion eines geeigneten Impfstoffes gegen den nachweislichen Erreger-Subtyp würde dennoch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, so dass man zur sofortigen Bekämpfung der Grippe vor allem auf antivirale Medikamente (z.B. Neuraminidase-Hemmer) angewiesen sein dürfte. Die Vorbereitungen und Maßnahmen sind in Deutschland, in zahlreichen anderen Ländern und von der WHO in nationalen und internationalen Pandemieplänen festgelegt.

Experte: Wissenschaftliche Beratung und Ausarbeitung: Prof. Dr. Thomas Löscher, München

Literatur:
Lehnert R et al. Antivirale Arzneimittel bei saisonaler und pandemischer Influenza. Ein systematisches Review. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 799
Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin in 2 Ordnern; Meyer, J. et al. (Hrsg.); Elsevier 11/2016
Salzberger B, Schmidt B: Neues zur Influenza. Dtsch med Wochenschr 2016; 141: 1451

Letzte Aktualisierung: 18.08.2017

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