Unterzuckerung: infolge Diabetes-Therapie

Ursachen

Die gefährlichste Nebenwirkung einer Diabetestherapie mit Insulin, Sulfonylharnstoffen oder Gliniden ist die Hypoglykämie. Wesentlich seltener kann es auch beim Gebrauch von weiteren Blutzucker senkenden Medikamenten zu Unterzuckerungen kommen, z.B. bei DPP4-Inhibitoren oder GLP1-Rezeptor-Agonisten (siehe auch unter Typ-2-Diabetes).

Symptome und Warnzeichen

Bei einer Unterzuckerung fällt der Blutzuckerwert unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l), was in schweren Fällen bis zum Koma mit Bewusstlosigkeit oder mit Krampfanfällen führen kann. Sie kann ausgelöst werden. z. B. durch:

  • zu hohe Dosierung von Insulin oder Sulfonylharnstoffen
  • eine ausgelassene Mahlzeit oder zu geringe Zufuhr von Kohlenhydraten
  • ungewöhnliche körperliche Anstrengung
  • Alkohol
  • Erbrechen oder Durchfall
  • Schwäche der Hirnanhangdrüse, Nebenniere oder Schilddrüse

Bereits bei Blutzuckerwerten unter 72 mg/dl (4,0 mmol/l) reagiert der Körper mit gegenregulatorischen  Maßnahmen des Nervensystems und des Hormonsystems. Diese Veränderungen lösen die Beschwerden und Anzeichen auch bei leichteren Hypoglykämien aus:

  • Blässe, Schwitzen, Zittrigkeit
  • Herzklopfen
  • Angst, Nervosität
  • Kribbeln, Pelzigkeitsgefühl im und um den Mund
  • Unscharfes Sehen
  • Kopfschmerzen
  • Heißhunger
  • Weiche Knie

Bei einer schweren Unterzuckerung treten Konzentrations- und Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit auf. Auch Schwindel, Krampfanfälle oder psychische Veränderungen wie aggressives Verhalten können hinzukommen.

Bei wiederholten schweren Hypoglykämien können sich die geschilderten Warnzeichen stark abschwächen, was  dann zu schweren Unterzuckerungen, die wie aus „heiterem Himmel“ auftreten, führen kann, welche die Hilfe von Angehörigen oder medizinischem Personal erforderlich machen. Besonders Menschen mit Langzeit-Typ-1-Diabetes können unter dem Problem der Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung leiden, seltener auch Menschen mit Langzeit-Typ-2-Diabetes und Insulinbehandlung, insbesondere wenn sie gleichzeitig an Nieren- oder Herzschwäche leiden oder Folgen von anderen schweren Herz-Kreislaufkomplikationen.

Vorsorge

Nächtliche Hypoglykämien machen etwa die Hälfte aller Hypoglykämien aus und werden im Schlaf nicht immer bemerkt. Unerklärlich hohe Blutzuckerwerte am Morgen als Ausdruck der Gegenregulation können ein Hinweis darauf sein.

In jedem Fall sollten Unterzuckerungen schwererer Art Anlass sein,  umgehend mit dem behandelnden Diabetologen/Internisten Kontakt aufzunehmen, wie umgekehrt bei jedem Besuch in der Diabetessprechstunde das Problem möglicher Hypoglykämien aktiv angesprochen werden sollte.
Blutzucker-Selbstkontrollen lassen Unterzuckerungen jederzeit auch im Alltag erkennen und sollten – wenn immer möglich – bei verdächtigen Anzeichen auf Hypoglykämien durchgeführt werden. Die Verfügbarkeit von speziellen Blutzuckersensoren und anderen Systemen, welche die fortwährende Messung des Blutzuckers, auch nachts, für mehrere Tage bis zu zwei Wochen möglich machen, sind ein Meilenstein auch bei der Erkennung und Vorbeugung von Hypoglykämien.

Für Patienten mit ausgeprägter Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung sind spezielle Konzepte für ein Unterzucker-Wahrnehmungs-Training entwickelt worden. Betroffene können an einer auf ihre individuelle Problematik abgestimmte Schulung durch ein erfahrenes Diabetes-Team teilnehmen.

Behandlung

Bei der Behandlung der akuten Hypoglykämie geht es um die umgehend rasche Anhebung des Blutzuckerspiegels durch die Zufuhr von Glukose (Traubenzucker) über die Nahrung oder als Injektion in die Vene, oder auch mittels des Einsatzes des Glukagon-Notfallsets, mit dem Angehörige 1mg des Hormons Glukagon unter die Haut ins Fettgewebe oder auch in den Muskel spritzen können. Dadurch steigt die Blutzuckerkonzentration binnen Minuten infolge einer Freisetzung von Traubenzucker aus der Leber an. Anschließend müssen ebenfalls Glukose bzw. Kohlenhydrate zugeführt werden (siehe unten).

Ist der Patient ansprechbar und zeigt Anzeichen von leichter Unterzuckerung, wie z. B.

  • Heißhunger, Übelkeit, Erbrechen, Angst, Blässe, Zittern, Unruhe
  • unscharfes Sehen
  • Kopfschmerzen, Nervosität, weiche Knie, Verwirrtheit

muss er sofort Kohlenhydrate zu sich nehmen (2 Broteinheiten Traubenzucker, 8 Stück Würfelzucker oder 250 Milliliter Cola oder Fruchtsaft). Für eine schnelle Wirkung sind 20-25 Gramm Traubenzucker notwendig.

Ist der Patient schwer oder nicht ansprechbar und treten Zeichen von schwerer Unterzuckerung auf, wie

  • Sehstörungen, Sprach- und Riechstörungen,
  • Konzentrationsmangel, Aggressivität, Verwirrtheit,
  • Krampfanfälle, Bewusstlosigkeit

müssen mindestens 60-100 Milliliter 40%ige Glukose in die Vene gespritzt werden. Alternativ kommt Glukagon, wie oben beschrieben, zur Anwendung. Erlangt der Patient dadurch nicht das Bewusstsein, muss unbedingt ein Notarzt gerufen werden.

Jede schwerere Hypoglykämie muss Anlass zur Ursachenforschung sein bzw. zur Überprüfung der bestehenden Diabetestherapie. Unter Umständen kommt eine Änderung des Therapieschemas oder der Einsatz anderer Insuline mit geringerem Hypoglykämierisiko in Betracht oder auch weitere unterstützende Therapien. Bei Typ-2-Diabetes mit fortgeschrittener Gebrechlichkeit des Betroffenen können anstelle von Insulin auch andere  Behandlungsformen überlegt werden. Alle diese Maßnahmen sollten aber nur unter voller Kenntnis des Einzelfalls und in Abstimmung mit dem behandelnden Diabetologen erfolgen.

Natürlich ist auch in diesem Zusammenhang eine auf die individuelle Problematik abgestimmte Schulung durch ein erfahrenes Diabetes-Team essentiell. So sind z.B. für Patienten mit ausgeprägter Hypoglykämie- Wahrnehmungsstörung eigene Konzepte für ein Unterzucker-Wahrnehmungs-Training entwickelt worden.

Autor/Autoren: Wissenschaftliche Beratung & Ausarbeitung: Prof. Dr. Eberhard Standl, München

Literatur:
Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin in 2 Ordnern; Hrsg.: J. Meyer et al. ; Elsevier, 11/2018

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