Fibromyalgie: Behandlung
Zu Beginn sollte der Arzt den Patienten in Gesprächen umfassend über die Erkrankung aufklären und ihm klarmachen, dass es sich um ein bekanntes Krankheitsbild handelt und dass er Versteifungen oder Deformitäten nicht zu befürchten hat. So kann der Arzt Ängste abbauen und die psychischen Begleiterscheinungen der Erkrankung abmildern oder gar verhindern.
Nach der deutschen Leitlinie wird empfohlen, den Patienten bei der Erstdiagnose folgende Informationen zu geben:
- Den Beschwerden liegt keine organische Krankheit („Fibromyalgie“ im Sinne einer distinkten rheumatischen Krankheit), sondern eine funktionelle Störung zugrunde.
- Die Legitimität der Beschwerden wird versichert.
- Die Beschwerden der Patienten werden mithilfe eines biopsychosozialen Krankheitsmodells, das an die subjektive Krankheitstheorie der Patienten anknüpft, in anschaulicher Weise erklärt, z. B. durch das Vermitteln psychophysiologischer Zusammenhänge (Stress, Teufelskreismodelle).
- Die Beschwerden sind ungefährlich im Sinne einer normalen Lebenserwartung.
- Die Patienten können durch eigene Aktivitäten die Beschwerden lindern.
Bei der Besprechung der Therapiemaßnahmen wird empfohlen, mit den Patienten individuelle und realistische Therapieziele zu erarbeiten. Eine gemeinsame Entscheidungsfindung mit den Betroffenen über Therapieoptionen sollte auf der Basis ihrer Präferenzen und Begleiterkrankungen sowie des Ansprechens auf bisherige Therapien durchgeführt werden. In der Leitlinie wird eine stufenweise Behandlung in Abhängigkeit vom Schweregrad des FMS, dem Ansprechen auf Therapiemaßnahmen und noch anderen relevanten Begleiterkrankungen empfohlen. Bei leichten Formen des FMS wird eine aktivierende Trainings- oder Krafttherapie empfohlen und der Patient zu einer angemessenen psychosozialen Aktivierung ermutigt. Bei schweren Verläufen können körperbezogene Therapien, eine zeitlich befristete medikamentöse Therapie sowie multimodale Therapien zum Einsatz kommen.
Die meisten Patienten profitieren insbesondere von einer Kombination verschiedener Maßnahmen. Der Arzt, der Physiotherapeut, der Psychotherapeut und natürlich der Patient spielen eine aktive Rolle bei der Bewältigung der Erkrankung. Die Patienten sollten sich aktiv mit den verschiedenen Behandlungsstrategien auseinandersetzen.
Übersicht Behandlungsansätze:
- Physikalische Behandlung
- Behandlung mit Medikamenten
- Psychologische Behandlung
- Operationen oder alternative Behandlung
Physikalische Behandlung
Insgesamt haben Studien gezeigt, dass ein Ausdauertraining niedriger bis mittlerer Intensität (z. B. schnelles Spazierengehen, Walking, Fahrradfahren bzw. Ergometertraining, Tanzen, Aquajogging) - ausgeübt 2 bis 3 Mal pro Woche über mindestens 30 Minuten - einen guten Effekt auf die Beschwerden hat. Daneben wurden auch für verschiedene andere physikalische Therapiemaßnahmen positive Effekte bei einem FMS in Studien nachgewiesen und erhielten deswegen auch eine Empfehlung in der deutschen FMS Leitlinie. Dazu gehören Wassergymnastik, Funktionstraining, Krafttraining, Spa-Therapie, Dehnungs- und Flexibilitätstraining und Vibrationstraining, wobei vor allem für die letzteren die Studienlage uneinheitlich ist.
Durch die Verbesserung der Fitness werden sehr oft der Muskelschmerz und die Gelenksteifigkeit gelindert. Individuell zeigen auch physikalische Maßnahmen wie z. B. Ganzkörperwärme, Biosauna und Infrarotwärme einen positiven Effekt auf die Schmerzen bei FMS.
Da gymnastische Übungen oft Schmerzen, Überanstrengung und damit Frustration auslösen, sollten Patienten Bewegungsübungen sehr langsam beginnen und vorsichtig steigern. Übungen im Warmwasserbecken ermöglichen Bewegungen fast schmerzfrei durchzuführen. Bei den meisten Betroffenen können die Bewegungsübungen in Warmwasserbecken und Thermalbädern die Schmerzen einige Tage lang lindern. Gut eignen sich Gehen, Schwimmen, Fahrradfahren, Muskelaufbau an Geräten und Dehnungsübungen der Muskulatur.
Behandlung mit Medikamenten
In Deutschland ist bisher noch kein Medikament zur Therapie eines FMS zugelassen worden. Nach der neuesten Leitlinie für FMS spielen Schmerzmittel in der Therapie eines FMS keine Rolle, vom Einsatz starker Opioide, Cannabinoide und Muskelrelaxantien wird sogar abgeraten. Auch Kortison-haltige Medikamente haben keine Wirksamkeit bei einem FMS.
Allerdings gibt es die Möglichkeit andere Medikamente einzusetzen, wobei vor allem Antidepressiva relativ gute Effekte gezeigt haben. So ist Amitriptylin zur Therapie chronischer Schmerzen im Rahmen eines Gesamttherapiekonzepts zugelassen. Im Falle einer Depression als Begleiterkrankung werden in der Leitlinie Duloxetin, bei begleitenden Angststörungen Duloxetin oder Pregabalin empfohlen. Abhängig von den klinischen Symptomen können dann auch eventuell andere Medikamente in Betracht gezogen werden, dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich dann um einen sogenannten off label-Gebrauch handelt.
Psychologische Behandlung
Gespräche mit Psychologen oder psychotherapeutisch erfahrenen Ärzten sind wichtig, um die psychischen Probleme, die bei einem FMS auftreten können, besser zu bewältigen. In der Leitlinie wird eine psychotherapeutische Behandlung bei fehlgeleiteter Krankheitsbewältigung (z. B. Katastrophisieren, unangemessenes Vermeidungsverhalten bzw. dysfunktionale Durchhaltestrategien) empfohlen. Auch bei einer relevanten Modulation der Beschwerden durch Alltagsstress oder interpersonelle Probleme sowie bei eventuell begleitenden psychischen Störungen wird ein solcher Therapieansatz angeraten. Dabei haben vor allem kognitive Verhaltenstherapien eine starke Empfehlung und Biofeedback bzw. geleitete Imagination/Hypnose eine offene Empfehlung erhalten. Psychologische Verfahren wie Entspannungsverfahren, therapeutisches Schreiben oder achtsamkeitsbasierte Stressreduktion können integriert in psychotherapeutische Verfahren, aber nicht als alleinige Therapie, eingesetzt werden.
Operationen oder komplementäre Methoden
Obwohl operative Eingriffe die Schmerzen in den allermeisten Fällen nicht beeinflussen, werden FMS-Patienten deutlich häufiger operiert als die restliche Bevölkerung. „Therapeutische Operationen" der Tender points sind ohne pathophysiologischen Hintergrund, und sind deshalb uneingeschränkt abzulehnen.
FMS-Patienten wenden häufig komplementäre Therapieverfahren an. Ein Vorteil einiger komplementärer Therapieverfahren (z. B. Qi-Gong, Yoga oder Tai-Chi) besteht darin, dass die Patienten die Verfahren – nach einer Anleitung – selbstständig anwenden können und nicht von einem Therapeuten abhängig sind. In der deutschen Leitlinie wird der Einsatz von meditativen Bewegungstherapien (Tai-Chi, Qi-Gong, Yoga) empfohlen und für eine Akupunktur wird über einen zeitlich befristeten Zeitraum eine offene Empfehlung ausgesprochen. Eine Gewichtsabnahme sollte bei starkem Übergewicht (Adipositas) angestrebt werden.
Nahrungsergänzungsprodukte und Reiki sollten nicht eingesetzt werden. Auch von vielen „alternativen" Behandlungsmethoden, wie z. B. einer Sauerstoff- oder Frischzellentherapie, raten Experten dringend ab. Oft ist der medizinische Nutzen mehr als fraglich, in manchen Fällen sind die Behandlungen sogar riskant oder schädlich. Informieren Sie in jedem Fall ihren Arzt darüber, welche Behandlung Sie zusätzlich durchführen.