Wie wird die PAVK behandelt?
Die pAVK ist eine Systemerkrankung, die man nicht mehr loswird. Man kann lediglich ihr Fortschreiten hemmen. Hierzu sind allgemeine Maßnahmen erforderlich – bei jedem Menschen mit pAVK. Die pAVK führt aber auch zu Symptomen, die für die Patient:innen lästig und quälend sein können und schlimmstenfalls eine Amputation erfordern. Hiergegen kann oft nur helfen, die Durchblutung durch Gefäßeingriffe zu bessern.
Allgemeine Maßnahmen
Bei jeder pAVK muss der Einfluss der Risikofaktoren so gut wie möglich reduziert werden. Bei den meisten Patient:innen waren Zigaretten für das Entstehen der Gefäßschäden entscheidend. Der Nikotinkonsum sollte möglichst beendet werden, und zwar vollständig. Manchen Patient:innen fällt dies extrem schwer. Sie sollten in spezielle Raucher-Entwöhnungs-Programme aufgenommen werden. Fortgesetzter Nikotinkonsum fördert nicht nur das Fortschreiten der Arteriosklerose. Es kommt auch häufiger zu erneuten Verschlüssen, wenn Kathetereingriffe oder chirurgische Verfahren durchgeführt wurden.
Wichtig ist natürlich auch eine gute Einstellung des Blutdrucks. Hierfür erforderliche Medikamente müssen regelmäßig eingenommen werden, Patient:innen sollen den Blutdruck auch zu Hause überprüfen. Ebenso sollte der Blutzucker gut eingestellt sein. Hierzu ist in vielen Fällen eine Umstellung der Ernährung erforderlich, teilweise auch ausreichend: durch eine entsprechende Gewichtsreduktion bessert sich auch der Zuckerstoffwechsel. Zur medikamentösen Behandlung des Diabetes werden unter anderem Substanzen genutzt, die die Zuckerausscheidung über die Nieren verstärken (SGLT-2-Hemmer, Gliflozine). Diese können offenbar das Fortschreiten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen günstig beeinflussen. Eine Senkung der Cholesterinwerte sollte angestrebt werden. Hierbei ist vor allem das LDL-Cholesterin wichtig. Bei Patient:innen mit schwerer pAVK wird mittlerweile empfohlen, es durch Medikamente auf einen Spiegel von < 70mg % zu senken.
Patient:innen mit einer symptomatischen pAVK wird die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) in einer Dosis von 100 mg/Tag empfohlen. Hierdurch werden die Blutplättchen gehemmt und können sich nicht mehr so gut auf arteriosklerotischen Plaques festsetzen. Manchmal glättet sich dann die Plaqueoberfläche, was zu einem Rückgang der Beschwerden führen kann. Die Hemmung von Blutplättchen reduziert auch das Auftreten von Gefäßverschlüssen im Gehirn und an den Herzkranzarterien. Wird ASS 100 nicht vertragen, können andere Thrombozytenfunktionshemmer eingesetzt werden. Nach Gefäßeingriffen, besonders beim Einsatz von Stents, werden ASS und eine weitere entsprechende Substanz (meist Clopidogrel) vorübergehend kombiniert (duale Plättchenhemmung), um die Wirkung zu steigern. Manche Patient:innen benötigen, wegen einer Herzrhythmusstörung, Herzklappenerkrankung oder nach Venenthrombose und Lungenembolie, eine andere Form der Gerinnungshemmung (Vitamin-K-Antagonisten oder direkte Antagonisten der Gerinnungsproteine Faktor II oder Faktor Xa). Für diese ist eine zusätzliche Einnahme von ASS 100 in der Regel nicht erforderlich. Seit einigen Jahren kommt für Patient:innen mit kombinierten schweren Durchblutungsstörungen an den Beingefäßen und am Herz oder den Hirngefäßen eine Kombinationsbehandlung mit ASS 100 und Rivaroxaban in einer Dosis von 2 x 2,5 mg in Betracht.
Gefäßtraining
Der Organismus reagiert auf die Entwicklung einer Durchblutungsstörung mit verschiedenen Mechanismen. Zum einen erweitern sich Gefäße, die eigentlich zur lokalen Muskelversorgung dienen, und überbrücken die Engstellen und Verschlüsse. Man spricht von Kollateralen. Zum anderen stellt sich der Muskelstoffwechsel auf das knappere Versorgungsangebot ein. Darüber hinaus können die Patient:innen ihre Gehweise anpassen. Alles zusammen kann dazu führen, dass die belastungsabhängigen Muskelschmerzen erst nach einer längeren Wegstrecke auftreten, manchmal gar nicht mehr. Teilweise verschwinden die Schmerzen beim weiteren Gehen auch wieder (Walking-through-Phänomen). Diese Entwicklung kann man unterstützen, indem man die unterversorgten Muskeln regelmäßig einsetzt, also gewissermaßen trainiert.
Patient:innen mit zwischenzeitlichem (intermittierendem) Hinken (Claudicatio intermittens) wird ein sogenanntes Gehtraining vom Intervalltyp empfohlen. Dabei geht man in normalem Tempo, bis der Schmerz beginnt. Dann hält man eine bis zwei Minuten an, bis der Schmerz wieder völlig verschwunden ist, und geht dann wieder los. Meist dauert es daraufhin schon etwas länger, bis der Schmerz sich wieder einstellt. Dann hält man wieder an. Durch dieses intervallmäßige Gehen werden die Muskeln trainiert und vor allem die Kollateralen zum Wachstum angeregt. Das Gehtraining sollte regelmäßig durchgeführt werden, idealerweise täglich mindestens 30 Minuten. Menschen, die regelmäßig trainieren, können ihre schmerzfreie Gehstrecke teilweise erstaunlich steigern und auch mit ausgedehnten Verschlüssen schmerzfrei werden. Die besten Erfolge haben Teilnehmer von Gefäßsportgruppen, die ein regelmäßiges strukturiertes Gehtraining erhalten, gefolgt vom überwachten Gehtraining, bei dem die Fortschritte aufgezeichnet und die Patient:innen motiviert werden. Die meisten pAVK-Patient:innen haben leider hierzu keinen Zugang und müssen ihr Gehtraining in Eigenregie organisieren. Wichtig ist die Erfahrung, dass man selbst etwas in der Hand hat, womit man gegen die Erkrankung „angehen“ kann. Regelmäßiges Gehen bessert auch die Prognose anderer Gefäßerkrankungen. Radfahren ist weniger effektiv, weil es die Wadenmuskulatur nicht erfordert, der Anreiz zur Kollateralbildung ist also nicht so groß. Für Menschen mit anderweitigen Erkrankungen, beispielsweise der Knie- oder Hüftgelenke, kann es aber als Alternative gelten.
Ältere oder gebrechliche Patient:innen können ein Gehtraining nicht mehr effektiv durchführen. Hier sind aber oft noch andere Trainingsformen möglich. Bei Zehenstand-Übungen hält man sich mit den Händen fest und stellt sich mehrfach hintereinander auf die Zehenspitzen, vielleicht 30 Mal. Damit beansprucht man die Wadenmuskulatur wie beim Gehen. Die Übung kann natürlich mehrfach wiederholt werden.
Wenn offene Stellen an den Füßen entstanden sind, ist Gehtraining verboten. Die Füße dürfen so lange nicht belastet werden, bis die Haut abgeheilt ist. Das gilt auch nach Gefäßeingriffen. Training ist aber auch in diesen Fällen möglich, mit sogenannten Ratschow’schen Lagerungsübungen. Diese vom „Vater der deutschsprachigen Angiologie“ eingeführten Übungen bestehen darin, dass man sich im Bett auf den Rücken legt und die Beine eine bis zwei Minuten in die Höhe streckt (oder halten lässt). Dann setzt man sich auf die Bettkante, so dass die Beine herabhängen. Der Wechsel von Blutarmut und durch die Schwerkraft geförderter Durchblutung soll ebenfalls zur Anregung der Entwicklung und Verbesserung von Kollateralen führen.
Gefäßeingriffe
So lange noch eine gewisse Gehfähigkeit besteht, sollte immer zunächst ein Gehtraining versucht werden, neben der Berücksichtigung der allgemeinen Maßnahmen. Manchmal ist dies nicht möglich, etwa weil die Gehfähigkeit beruflich benötigt wird oder die Gehstrecke schon stark eingeschränkt ist. Dann muss die Durchblutung durch Eingriffe verbessert werden. Bei Patient:innen, deren Durchblutungsstörung so weit fortgeschritten ist, dass schon Schmerzen in Ruhe bestehen oder gar offene Stellen an Fersen oder Zehen entstanden sind, wird man stets nach Möglichkeiten für Gefäßeingriffe suchen. Grundsätzlich werden die bedeutenden Hindernisse im Blutstrom „von oben nach unten“ angegangen. Welche Therapieform konkret eingesetzt wird, sollte interdisziplinär entschieden werden. Für alle Eingriffe gilt, dass sie am besten in großen Zentren mit genügend Expertise und Auswahl von Methoden durchgeführt werden.
Für die Patient:innen am wenigsten belastend sind Kathetereingriffe. Dabei wird ein kurzer Schlauch über die Leiste in die dortige Arterie eingeführt und entweder stromaufwärts in die Beckenarterie oder hinab in den Oberschenkel geschoben. Über diese sogenannte Schleuse wird ein dünner Draht in das Gefäß geschoben. Mit diesem versucht man, über eine Verengung hinweg oder durch einen Verschluss hindurch zu kommen. Ist dies erreicht, kann über den Führungskatheter ein zweiter Katheter eingeführt werden, an dessen vorderem Ende ein Ballon passender Länge montiert ist. Dieser wird möglichst genau an den Teil des Gefäßes platziert, dessen Wiederherstellung geplant ist, und dort aufgeblasen. Damit wird das Verschlussmaterial in die Gefäßwand gedrückt und der Blutweg ist wieder frei.
Bei vielen Gefäßabschnitten reicht das nicht, besonders bei Verschlüssen. Dann muss ein Stent eingesetzt werden. Der ist auf den Ballon montiert und wird an der gewünschten Stelle durch diesen zur Entfaltung gebracht. Somit hält er gewissermaßen das Gefäß offen. Oft kann man bereits vor dem Eingriff absehen, dass ein Stent erforderlich wird, und diesen gleich mit in den Gefäßverschluss einbringen.
Eine neue Technik besteht darin, mit einem speziellen Katheter das Verschlussmaterial aus dem Gefäß zu entfernen (wie mit einem Hobel oder einer Fräse) und die Gefäßoberfläche anschließend mit einem medikamentenbeschichteten Ballon zu behandeln. Bei dem Medikament handelt es sich um ein Zytostatikum, wie es in der Krebstherapie eingesetzt wird. Es wird vom Ballon auf die Gefäßwand übertragen und soll verhindern, dass deren Zellen zu wuchern beginnen und das gerade eröffnete Gefäß wieder verschließen. Diese sogenannte Gefäßwandproliferation stellt ein Problem nach Gefäßeingriffen dar. Die medikamentenbeschichteten Ballons werden teilweise auch genutzt, wenn zunächst ein Stent eingesetzt wurde und man dort nach kurzer Zeit eine erneute Engstelle bemerkt. Eine Zeitlang standen medikamentenbeschichtete Stents im Verdacht, das Auftreten von Tumorerkrankungen zu begünstigen. Das hat sich aber nicht bestätigt.
Mittlerweile werden schon recht lange Verschlüsse mit der Kathetertechnik rekanalisiert. Teilweise ist dies aber nicht möglich. Dann ist ein gefäßchirurgisches Vorgehen erforderlich. Hierbei wird das Originalgefäß durch einen Bypass überbrückt, der gewissermaßen eine besonders große und effektive Kollaterale darstellt. Bei Verschluss der Aorta oder in beiden Beckenschlagadern wird eine Y-Prothese angelegt. Ein langer Oberschenkelarterienverschluss wird durch einen femoropoplitealen Bypass überbrückt. Dieser wird in der Regel an der Leiste angeschlossen und führt zur Kniekehlenarterie, die er entweder ober- oder (wenn diese mit erkrankt ist) unterhalb der Kniekehle erreicht. Bypässe können auch von der Leiste oder der knienahen Oberschenkelarterie zum Unterschenkel führen. Zunehmend werden, besonders bei Diabetikern, Bypässe zu Fußarterien gelegt. Während die Y-Prothese stets aus Kunststoff ist, wird unterhalb der Leiste eine körpereigene Vene als Bypassmaterial bevorzugt, weil diese Bypässe länger offenbleiben. Genutzt werden oberflächliche Venen am Bein. Bisweilen wurden diese bereits für einen Herzbypass entnommen oder sind unbrauchbar, dann muss ein Kunststoffbypass gewählt werden. Manchmal entschließt man sich, wenigstens für den unteren Bypassanteil eine Vene zu nehmen („composit graft“).
Die Leistenschlagader ist für den Kathetereinsatz schlecht geeignet, hier wird meist chirurgisch vorgegangen. Die Leiste wird eröffnet und das Plaquematerial aus der Gefäßwand ausgeschält. Mit dieser Technik lassen sich auch die benachbarten Arterien „säubern“. Zunehmend werden Hybrid-Operationen durchgeführt. Dabei wird die Leiste operativ durchgängig gemacht und in derselben Sitzung mit einem Katheter bzw. Stent ein Verschluss oder eine Verengung im Becken oder am Oberschenkel beseitigt.
Nachsorge
Patient:innen nach einem Gefäßeingriff müssen regelmäßig überwacht werden. Hierzu wird die Farbduplexsonografie eingesetzt. Mit dieser kann gezielt geprüft werden, ob etwa Engstellen an den Anschlussstellen eines Bypasses entstehen oder innerhalb von Stents, oder ob sich oberhalb eines versorgten Gefäßes neue Verengungen entwickeln, die die Offenheit eines peripheren Stents gefährden.
Gleichzeitig bietet sich hierbei die Gelegenheit, die allgemeinen Behandlungsregeln zu überprüfen: Hat der Patient das Rauchen aufgegeben? Welche Medikamente werden genommen, ist das LDL-Cholesterin ausreichend gesenkt? Wird ASS eingenommen und vertragen? Auch wenn nach einem Eingriff keine Beschwerden beim Gehen mehr vorhanden sind, sollten Patient:innen weiter viel zu Fuß unterwegs sein, da dies die Offenheitsprognose des Bypasses verbessert.
Leider kommt es nach vielen Rekonstruktionen an Gefäßen eines Tages doch wieder zu einem Verschluss mit Verschlechterung der Symptomatik. Wer dies bemerkt, sollte so schnell wie möglich eine Gefäßspezialistin oder einen Gefäßspezialisten (d.h. eine Angiologin oder einen Angiologen) aufsuchen. Es muss rasch festgestellt werden, welcher Gefäßabschnitt sich verschlechtert hat. Dann muss entschieden werden, ob ein erneuter Gefäßeingriff aussichtsreich ist. Vor allem nach Zweiteingriffen muss gelegentlich die Gerinnungshemmung intensiviert werden. Eine enge Kooperation zwischen Gefäßpraxis und der behandelnden Einrichtung ist erforderlich.
Für Patient:innen mit fortgeschrittenen Durchblutungsstörungen ergibt sich manchmal kein sinnvoller operativer Ansatz (mehr), die Durchblutung zu verbessern. Dann kommt eine medikamentöse Behandlung mit Prostaglandin E1 in Betracht, das über einige Wochen intravenös verabreicht wird. Bei anhaltenden Schmerzen und größeren Gewebedefekten sollte man aber auch mit einer Amputation nicht zu lange warten.