14.05.2017

Unfaire Löhne gefährden die Herzgesundheit

Als unfair empfundene Löhne wirken sich unmittelbar auf die Herzaktivität der Betroffenen aus und führen auch langfristig zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes.

Ungerechte Bezahlung ist schlecht fürs Herz. Das ist das Ergebnis einer interdisziplinären Studie, die Bonner Ökonomen vom Institute on Behavior & Inequality (briq) gemeinsam mit einem Team von Medizinsoziologen durchgeführt haben (siehe Management Science, Online-Veröffentlichung am 16.2.2017). Demnach wirken sich als unfair empfundene Löhne unmittelbar auf die Herzaktivität aus und führen auch langfristig zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes.

Für ein Laborexperiment hatten die Forscher 80 Studenten in zweiköpfige Teams aus „Chef" und „Arbeiter" aufgeteilt. Die Arbeiter mussten 25 Minuten lang eintönige Rechenaufgaben lösen, während sich die Chefs entspannen durften. Je mehr Zahlen die Arbeiter richtig addierten, desto mehr Geld erwirtschaftete das Team. Danach teilten die Chefs den Gewinn willkürlich zwischen beiden auf. In der Regel bedachten sie die Arbeiter mit einem geringeren Gewinnanteil, als von Außenstehenden als fair betrachtet wurde.

Die erlebte Ungerechtigkeit versetzte die Arbeiter in Stress, den die Wissenschaftler anhand der Herzfrequenzvariabilität (HFV) messen konnten. Eine niedrige HFV signalisiert mentale Belastung und deutet auf ein erhöhtes Risiko koronarer Herzerkrankungen hin. Die Auswertung der Versuchsdaten ergab: Je stärker die Bezahlung von einer als fair erachteten Summe abwich, desto ausgeprägter war die körperliche Stresssymptomatik. Erlebte Unfairness wirkt sich demnach unmittelbar auf das autonome Nervensystem aus. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der menschliche Körper auf soziale und kontextbezogene Informationen reagiert und sie systematisch verarbeitet", erklärt Fabian Kosse, einer der Studienautoren.

Die Kurzfristeffekte aus dem Laborexperiment decken sich mit den Erkenntnissen aus langfristigen Erhebungen. Anhand von Befragungsdaten des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) ermittelten die Forscher einen klaren Zusammenhang zwischen gefühlter Lohnungerechtigkeit und eigenem Gesundheitszustand. Je häufiger die Befragten ihren Lohn als unfair empfanden, desto schlechter schätzten sie ihre Gesundheit ein. Eine genauere Analyse zeigte, dass die Betroffenen vor allem häufiger unter Herzkrankheiten litten.

Die Größenordnung des negativen Gesundheitseffekts unfairer Entlohnung ist beträchtlich: Laut Studie entspricht er einer körperlichen Alterung um bis zu zehn Jahre oder einem Einkommensrückgang um monatlich mehr als 1.000 Euro netto. „Faire Bezahlung ist also nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Mitarbeitermotivation, sondern auch der Gesundheit. Dieser Aspekt wird in der politischen und öffentlichen Diskussion bislang vernachlässigt", so Armin Falk, einer der Studienautoren.

Die Autoren sehen zudem die Gefahr, dass die Rückkopplung zwischen dem menschlichen Körper und seinem sozialen Umfeld zum Teufelskreis wird: Verschlechtert unfaire Entlohnung neben der Arbeitsmoral auch den Gesundheitszustand, sinken mit abnehmender Leistungsfähigkeit die Verdienstchancen auf dem Arbeitsmarkt, was die gefühlte Ungerechtigkeit weiter verstärkt.

Quelle: briq - Institute on Behavior and Inequality

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