Herzklappenfehler: Behandlung

Vor Einleitung einer Therapie zu klärenden Fragen sind:


•    Wie lange kann bei einem Herzklappenfehler bis zu einer Intervention oder Operation abgewartet werden?
•    Sind Operation oder Rekonstruktion oder ein katheterinterventionelles Verfahren die beste Option?
•    Biologische oder mechanische Klappe?

Was kann mit Medikamenten erreicht werden?


Grundsätzlich ist ein Herzklappenfehler ein mechanisches Problem und kann durch eine medikamentöse Therapie nicht gebessert oder rückgängig gemacht werden. Medikamente können jedoch durch einen Herzklappenfehler verursachte Beschwerden lindern. So werden bei Kurzatmigkeit (Atemnot) harntreibende Medikamente (Diuretika) eingesetzt. Bei nachlassender Pumpleistung und Vergrößerung der Herzkammern kommen ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten, Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren, Betablocker und Aldosteronantagonisten in Betracht. Zur Verlangsamung der Herzfrequenz bei Vorhofflimmern werden Betablocker oder eventuell Calciumantagonisten vom Verapamiltyp verwendet. Bei Vorhofflimmern ist zusätzlich eine Blutgerinnungshemmung zur Verhinderung einer Blutgerinnsel-Bildung mit Vitaminen K–Antagonisten oder den neuen Antikoagulantien notwendig. Die genannten Medikamente kommen natürlich auch - und je nach Bedarf - postoperativ zur Anwendung.

Klappenrekonstruktion


Die klappenerhaltende Operation (Rekonstruktion) wird heute vor allem bei Mitralklappenfehlern angestrebt. Sie gelingt bei rund 80% der Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz. Zunehmend häufiger erfolgt die Mitralklappenrekonstruktion als minimalinvasiver Eingriff. Dabei ist der Hautschnitt klein und die Öffnung des Brustkorbs weniger ausgedehnt, so dass die Stabilität des Brustkorbs besser erhalten bleibt. Die Patienten erholen sich nach der Operation meist schneller. Wegen der begrenzten Öffnung des Brustkorbs können jedoch andere Herzbereiche nicht eingesehen werden; so sind Kombinationseingriffe an Herzklappen und Herzkranzgefäßen (Bypass) nicht möglich.

Herzklappenersatz


Mechanische Herzklappen: Die heute verfügbaren mechanischen Herzklappen werden aus  sehr beständigem High-Tech-Material (z.B. Karbon) hergestellt und sind sehr gut haltbar. Die am häufigsten eingesetzten Modelle sind Kippscheibenprothesen und Doppelflügelklappen. Jeder Patient mit einer künstlichen Herzklappe muss lebenslang gerinnungshemmende Medikamente zur Verhinderung von Blutgerinnselbildung einnehmen.

Biologische Herzklappen: Als Alternative zu den mechanischen Herzklappen werden, Insbesondere bei älteren Patienten, sehr häufig biologische Klappen eingesetzt. Sie haben den Vorteil, dass eine Gerinnungshemmung auf Dauer nicht notwendig ist (vorausgesetzt, dass kein Vorhofflimmern besteht), und dass sie geräuschlos sind. Biologische Klappen werden überwiegend aus tierischem Gewebe, d.h. (mit Glutaraldehyd behandelten) Schweineklappen oder Rinderherzperikard hergestellt.

Biologische oder mechanische Klappe?
Da biologische Klappen nur eine begrenzte Haltbarkeit (Lebensdauer) von 10-15 Jahren haben, wird Patienten, die jünger als 60-65 Jahre sind, eine mechanische Herzklappe mit unbegrenzter Haltbarkeit empfohlen. Sollte die Blutgerinnungshemmung mit Vitamin-K-Antagonisten problematisch sein - wie zum Beispiel in der Schwangerschaft oder bei Berufen mit erhöhtem Verletzungsrisiko - wird auch jüngeren Patienten zur biologischen Klappenprothese geraten.

Interventionelle Therapie von Herzklappenerkrankungen


Voraussetzung für kathetergestützte Therapieverfahren sind die eingehende Patientenberatung und die Diskussion in einem interdisziplinären Heart-Team, bestehend aus interventionellen Kardiologen und Herzchirurgen.

Die Häufigkeit des Auftretens von Mitralklappeninsuffizienz und Trikuspidalklappeninsuffizienz steigt mit zunehmendem Alter. So hat auch die Anzahl von Mitralklappenoperationen zugenommen, zwischen 1995 und 2015 um 117 %; etwa zwei Drittel von ihnen wurden klappenerhaltend durchgeführt (Der Kardiologe 02/2018). Im Jahr 2016 wurden in Deutschland bereits 5600 transvenöse Eingriffe an der Mitralklappe durchgeführt, Überwiegend mit dem MitraClip-Verfahren. Kathetereingriffe an der Trikuspidalklappe sind bisher nur an kleineren Patientenzahlen durchgeführt worden.

Bei Vorliegen einer primären (degenerativen) Mitralklappeninsuffizienz ist auch weiterhin die chirurgische Rekonstruktion Standard der Behandlung. Die sekundäre, funktionelle Mitralklappeninsuffizienz bei reduzierter linksventrikulärer Funktion stellt aktuell die häufigste Indikation für die MitraClip-Implantation in der klinischen Praxis dar (Der Kardiologe 02/2018).

Nach einer MitraClip-Therapie sollten Patienten ohne blutverdünnende Medikamente (orale Antikoagulation) für zumindest sechs Monate mit Aspirin (ASS 100 mg) behandelt werden und zusätzlich im ersten Monat Clopidogrel (75 mg/Tag) erhalten. Bei Patienten mit Indikation für eine Antikoagulation (z.B. Vorhofflimmern) wird eine Kombinationsbehandlung mit einem oralen Antikoagulans und ASS oder Clopidogrel für einen Monat, gefolgt von der alleinigen Therapie mit dem Antikoagulans vorgeschlagen. Außerdem wird eine Endokarditisprophylaxe für mindestens 6 Monate empfohlen.

Neuere, in Entwicklung befindliche interventionelle Therapieverfahren der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz sind die direkte Anuloplastie sowie die indirekte Anuloplastie, Methoden, die konzeptionell der chirurgischen Raffung des Klappensrings ähneln. Die katheterbasierte Mitralklappenimplantation steckt im Vergleich zur katheterbasierten Aortenklappenimplantation (TAVI) noch in den Kinderschuhen. Die therapeutischen Möglichkeiten bei symptomatischer Trikuspidalklappeninsuffizienz waren bisher auf medikamentöse und operative Verfahren beschränkt. Inzwischen gibt es erste kathetergestützte Erfahrungen, deren Stellenwert sich aber erst in den nächsten Jahren zeigen wird.

TAVI (Transkatheter-Aortenklappenimplantation)

Als Alternative zum operativen Herzklappenersatz hat die TAVI in den letzten Jahren rasch an Bedeutung gewonnen. Bei dieser Methode wird die neue Herzklappe in einen Stent (ein kleines Gittergerüst) eingenäht. Dieser wird im zusammengefalteten Zustand mit einem Katheter entweder über eine Leistenarterie oder heute seltener operativ über die Herzspitze in der erkrankten Aortenklappe in Position gebracht.

Goldstandard ist die TAVI bei Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose und Kontraindikationen für eine Operation sowie für Patienten mit einem sehr hohen Risiko für einen herzchirurgischen Aortenklappenersatz. Neuere Studien haben zudem gezeigt, dass eine TAVI auch bei Patienten mit einem nur mittleren operativen Risiko im Vergleich zur offenen Herzoperation zumindest gleichwertig ist. Trotz des deutlich höheren Risikoprofils der Gesamtgruppe der TAVI-Patienten lag die Krankenhaus-Mortalität im Jahr 2016 erstmalig niedriger als nach chirurgischem Klappenersatz. Eine Erweiterung der Indikationsstellung zur TAVI auch bei Patienten mit niedrigerem Risikoprofil ist zu erwarten. Zur Optimierung der Wahl des Verfahrens - offene Herzoperation oder TAVI - bei Patienten mit intermediärem Risiko sollte eine Evaluation durch das Heart-Team unter Berücksichtigung anatomischer und funktioneller Kriterien sowie des Alters der Patienten durchgeführt werden.

Zur Behandlung der Aortenklappeninsuffizienz ist nach wie vor die chirurgische Therapie angezeigt. TAVI spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Im Heart-Team kann jedoch in bestimmten Fällen die Möglichkeit einer Aortenklappenrekonstruktion diskutiert werden. Dabei ist eine hohe Expertise bezüglich der chirurgischen Aortenklappenrekonstruktion Voraussetzung.


Experte: Wissenschaftliche Beratung & Ausarbeitung: Prof. Dr. med. Wolfram Delius, Münc

Literatur:
Der Kardiologe 02/2018; https://www.springermedizin.de/interventionelle-therapie-von-av-klappenerkrankungen-fokus-mitra/15468312
Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin in 2 Ordnern Meyer, J. et al. (Hrsg.); Elsevier 5/2017

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