Krebstherapie: Zytostatika (Chemotherapie)

Auf der linken Seite der Abbildung über die multimodalen Therapien sind medikamentöse Verfahren in grünen bis blauen Farbtönen dargestellt. Sie wirken im ganzen Körper und werden deshalb auch als systemische Therapie im Unterschied zur lokalen Therapie bezeichnet.

Früher wurde (fast) der ganze Bereich der systemischen Therapie als Chemotherapie bezeichnet. Da aber fast alle dieser Arzneimittel „chemisch“ hergestellt werden, ist dieser Begriff zu ungenau. Die früher als Chemotherapie klassifizierten Arzneimittel werden heute besser als Zytostatika bezeichnet. Auf sehr unterschiedliche Weise greifen sie in die Zellteilung ein. Sie sind deshalb vor allem bei Krebsarten mit sich schnell teilenden Zellen wirksam. Die ersten durchschlagenden Erfolge wurden in den 60er und 70er Jahren bei einer der aggressivsten Krebserkrankungen, der akuten lymphatischen Leukämie im Kindesalter, erzielt. 

Inzwischen umfasst die Liste der Zytostatika mehr als 60 verschiedene Arzneimittel. Die Liste der Substanzklassen reicht von A (Anthrazykline) bis V (Vinca-Alkaloide). Viele Zytostatika wurden erstmals aus Pflanzen isoliert, wie z. B. die Taxane. Andere beruhen auf Schwermetallen wie die Platin-Derivate oder wurden sogar aus chemischen Waffen (wie das Melphalan aus den Sticklost-Derivaten) weiterentwickelt.

Die Wirksamkeit der Zytostatika ist bei den Krebsarten völlig unterschiedlich. Manche Zytostatika wirken bei unterschiedlichen Krebserkrankungen, andere sind auf eine bestimmte Krebserkrankung begrenzt. Zytostatika können allein oder in Kombinationen eingesetzt werden. Sie können in Tablettenform (oral), als Injektion oder als Infusion gegeben werden. Viele Zytostatika werden in Zyklen gegeben, z. B. alle 3 Wochen. Die Zahl der Zyklen ist bei den meisten Erkrankungen festgelegt.

Auch das Ziel der Therapie mit Zytostatika ist unterschiedlich. Sie werden z. B. bei akuten Leukämien allein und mit dem Ziel der Heilung eingesetzt – kurative Therapie. In bestimmten Stadien von soliden Tumoren wie Brust-, Darm- oder Lungenkrebs werden sie im Anschluss an eine Operation mit dem Ziel eingesetzt, vielleicht bereits im Körper ausgestreute Krebszellen abzutöten – adjuvante Therapie. Dieses Konzept wird auch umgedreht eingesetzt: Zuerst werden die Zytostatika gegeben, dann erfolgt die Operation des dann bereits verkleinerten Tumors – neoadjuvante Therapie. Konzepte in Kombination mit Strahlentherapie werden z. B. beim Darm- und beim Lungenkrebs verwendet.

Der Nutzen von Zytostatika muss gegenüber dem möglichen Schaden abgewogen werden. Durch die systemische Gabe wird der gesamte Körper belastet. Geschädigt wird vor allem gesundes, sich relativ schnell teilendes Gewebe. Hierzu gehören unter anderem die Schleimhäute, was von Entzündungen im Mundbereich bis zu Durchfällen führen kann. Auch Übelkeit, Erbrechen und Haarausfall treten häufig auf, sind aber vorübergehend. Ebenso werden häufig Nebenwirkungen auf die Blutbildung beobachtet. Mögliche Folgen sind Blutarmut (Anämie), erhöhte Infektanfälligkeit und vermehrte Blutungsneigung. Darüber hinaus haben viele Zytostatika spezifische Nebenwirkungen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Dazu gehören z. B. Belastungen des Herzens (Anthrazykline) oder der sensorischen Nerven (Platin-Derivate, Taxane, Vinca-Alkaloide).

Eine kritische Langzeitnebenwirkung von Zytostatika, aber auch von Strahlentherapie, kann eine Einschränkung der Fruchtbarkeit bei jungen Patientinnen und Patienten sein. Dies hat den Gesetzgeber dazu gebracht, 2019 gesetzliche Regelungen zur Kostenübernahme von Methoden zum Erhalt der Fruchtbarkeit zu treffen. Dies ist bei der Betreuung von jungen Patientinnen und Patienten vor Beginn einer potenziell fruchtbarkeitsschädigenden Therapie zu beachten [8].

 

 

Autor/Autoren: Wissenschaftliche Beratung und Ausarbeitung: Prof. Dr. Bernhard Wörmann, Berlin

Literatur:
1. https://www.who.int/health-topics/cancer
2. Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland / Robert - Koch Institut: Krebs in Deutschland 2017/2018, Häufigkeiten und Trends, 2021. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/krebs_in_deutschland_inhalt.html
3. Gesetz zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten, 18. August 2021. https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl121s3890.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s3890.pdf%27%5D__1672152816526
4. https://www.brca-netzwerk.de/
5. https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Berufskrankheiten/Merkblaetter.html
6. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/patientenleitlinien/
7. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines
8. https://www.onkopedia.com/de/ayapedia/guidelines/fruchtbarkeit-und-fruchtbarkeitserhalt/@@guideline/html/index.html
9. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/lungenkarzinom-nicht-kleinzellig-nsclc/@@guideline/html/index.html
10. https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Patientenleitlinien/Supportive-Therapie_Patientenleitlinie_DeutscheKrebshilfe.pdf
11. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines#section4
12. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Patientenleitlinien/Patientleitlinie_Palliativmedizin-1980012.pdf
13. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/patientenleitlinien/komplementaermedizin/
14. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines#section5

Letzte Aktualisierung: 26.01.2023

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