Typ-1-Diabetes: Behandlung allgemein

Zu Beginn der Behandlung eines Typ-1-Diabetes steckt der Internist gemeinsam mit dem Patienten Therapieziele ab. Therapieziele sind:

  • HbA1c- und Blutzuckerwerte im Normbereich
  • Langzeitkontrolle der Blutwerte
  • Normales Körpergewicht
  • Vermeidung von Unterzuckerung
  • Diabetesgerechte Ernährung und körperliche Aktivität
  • Vorbeugung und Behandlung von Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen
  • Vorbeugung und Behandlung von Folgeerkrankungen

Insulintherapie

Bei der Behandlung des Typ-1-Diabetes muss von Anfang an das fehlende Insulin ersetzt und lebenslang von außen zugeführt werden. Ziel der Insulintherapie ist es, den Zeitpunkt und die Menge des zugeführten Insulins möglichst genau dem Bedarf des Patienten anzupassen. Der Insulinbedarf eines Patienten hängt normalerweise davon ab, wie viel er isst und wie körperlich aktiv er ist. In besonderen Lebenssituationen (Krankheit, Stress u. a.) kann er sich jedoch verändern.

Häufigste Nebenwirkung einer Behandlung mit Insulin ist eine Unterzuckerung. Vereinzelt können Insulinödeme auftreten. Insulinallergien oder die Bildung von Abwehrstoffen (Antikörpern) durch das Immunsystem sind dagegen selten.

Insulin wird üblicherweise in das Unterhautfettgewebe gespritzt. Die richtige Spritztechnik lernen Patienten im Rahmen einer Diabetesschulung während der anfänglichen Einstellungsphase. Heute stehen verschiedene Injektionshilfen zur Verfügung, die als Pens bezeichnet werden. Sie sehen aus wie ein Füllfederhalter und enthalten den Insulinvorrat in einer Patrone, meist als Fertigpen bzw. Einmalpen.

Für die Insulintherapie werden heute Humaninsulin oder sogenannte Insulinanaloga verwendet. Insulin gibt es in verschiedenen Zubereitungsformen mit unterschiedlich langer Wirkungsdauer:

  • Normalinsulin: Entspricht dem unveränderten körpereigenen Insulin. Die Wirkdauer beträgt rund fünf Stunden, der empfohlene Abstand zwischen Injektion und Beginn der Mahlzeit 10-30 Minuten.
  • Insulin-Analoga: Gentechnisch veränderte Humaninsuline. Sie wirken schnell, die Wirkdauer beträgt rund drei Stunden. Der empfohlene Abstand zwischen Injektion und Beginn der Mahlzeit beträgt 0-15 Minuten.
  • In den letzten Jahren sind zwei noch schneller wirkende kurzwirksame Insulin-Analoga hinzugekommen, die auch in Insulinpumpen eingesetzt werden können, mit Bezeichnungen wie „Faster Acting Insulin Aspart“ oder „Ultra Rapid Lispro“.
  • Lang wirksame Insulinanaloga mit einer Wirkdauer von ungefähr 24 Stunden (z. B. Insulin glargin: rund 24 Stunden, Insulin detemir: 16-24 Stunden, Insulin degludec: mehr als 24 Stunden)
  • Insuline für Insulinpumpen
  • Verzögerungsinsuline: Durch Zusätze (z. B. Protamin) wird die Wirkdauer des Insulins verlängert (z. B. NPH-Insulin) auf ca. 10-12 Stunden
  • Mischinsuline: Mischungen aus Normal- und Verzögerungsinsulin wirken gleichzeitig schnell und lang anhaltend


Diabetes-Patienten können ihr Insulin auf der Basis verschiedener Therapieformen einnehmen, die sich in Zeitpunkt, Menge und Insulintyp unterscheiden. Typ-1-Diabetiker sollten Insulin im Rahmen einer so genannten intensivierten Insulintherapie spritzen. Mit dieser Therapie lassen sich die Blutzuckerwerte am besten einstellen. Von großer Bedeutung ist die Insulinpumpentherapie. Ältere Patienten kommen dagegen häufig mit einer konventionellen Insulintherapie besser zurecht.

Intensivierte Insulintherapie (Basis-Bolus-Therapie)

Ziel der intensivierten Insulintherapie ist es, den natürlichen Verlauf des Insulinspiegels während des Tages und in der Nacht möglichst genau nachzuahmen. Dazu werden zwei unterschiedliche Insuline eingesetzt: ein Verzögerungsinsulin und ein schnell wirksames Normalinsulin oder Insulinanalogon.

Das Verzögerungsinsulin bildet die Basis und deckt den Nüchternbedarf ab. NPH-Insulin wird morgens und abends gespritzt, die lang wirksamen Insulinanaloga wie glargin oder degludec in der Regel nur abends. Mit Hilfe des schnell wirksamen Normalinsulins oder des Insulinanalogons bzw. der noch schneller wirksamen Insulinanaloga kann der Patient den zusätzlichen Insulinbedarf zu den Mahlzeiten abdecken.

Die Dosis des zusätzlich benötigten Normalinsulins (Bolus) richtet sich nach dem zuvor gemessenen Blutzuckerwert, dem Kohlenhydratgehalt der Mahlzeit und der geplanten Aktivität. Der Spritz-Ess-Abstand richtet sich nach dem gemessenen Blutzuckerwert.

Die intensivierte Insulintherapie erlaubt eine bessere Einstellung des Blutzuckers als die konventionelle Insulintherapie, insbesondere wenn sie als Insulinpumpentherapie durchgeführt wird. Außerdem hat sie den Vorteil, dass der Patient sie flexibel an seinen Tagesrhythmus anpassen kann. Gleichzeitig ist sie jedoch aufwändiger, weil die Patienten den Blutzucker häufiger messen und Insulin spritzen müssen. Sie erfordert eine intensive Schulung und Betreuung des Patienten durch spezialisierte Diabetologen oder diabeteserfahrene Internisten.

Inzwischen stellt die Verfügbarkeit der kontinuierlichen Glukose- (Zucker-) Messung im Unterhautfettgewebe seit einigen Jahren einen neuen und wichtigen Meilenstein dar für die Steuerung und praktische Vereinfachung einer intensivierten Insulintherapie. Hierbei wird im Unterhautfettgewebe gemessen, d.h. nicht der Blutzucker, sondern der Gewebezucker gemessen. Unterzuckerungen lassen sich mit dieser Methode nämlich frühzeitig erkennen und besser vermeiden; nicht zuletzt kann auch die Qualität der Diabeteskontrolle anhand neuer Messgrößen - d.h. wie viele Stunden die Zuckerwerte im angestrebten Zielbereich (70 bis 180 mg/dl) liegen, wie viele Stunden darüber und wie viele Stunden darunter - viel genauer abgeschätzt werden.

Insulinpumpentherapie

Eine Variante der intensivierten Insulintherapie ist die Behandlung mit einer Insulinpumpe. Häufig können Typ-1-Diabetiker ihren Blutzuckerwert (am besten überwacht durch eine kontinuierliche Zuckermessung oder Flash Glucose Monitoring  im Unterhautfettgewebe) mit einer Insulinpumpe besser im gewünschten Bereich halten als mit einer intensivierten Insulintherapie. Die Insulinpumpentherapie hat den Vorteil, dass die Insulinzufuhr dem unterschiedlichen tageszeitlichen Bedarf sehr fein angepasst werden kann. Auch die Mahlzeiten können flexibler eingenommen werden.

Eine Insulinpumpe ist ein kleines, batteriebetriebenes Gerät, das Insulin über einen Katheter unter die Haut abgibt. Der Basisbedarf für das schnell wirksame Insulinanalogon wird am Gerät einprogrammiert. Die mahlzeitenbezogene Menge (Boluswert) kann der Patient per Knopfdruck abrufen.

Die Pumpe muss Tag und Nacht getragen werden und sollte nur für maximal zwei Stunden pro Tag abgenommen werden, z. B. beim Sport. Sie wird deshalb von einigen Patienten zunächst als Fremdkörper empfunden. Meist gewöhnen sie sich jedoch im Laufe der Therapie daran. Die Pumpen können bei den meisten Sportarten weiter getragen werden, einige sind sogar wasserdicht und können auch während des Duschens oder Schwimmens anbehalten werden.

Insulinpumpen sind besonders für Diabetiker geeignet, die bereits eine intensivierte Insulintherapie durchführen und die eine noch bessere Blutzuckereinstellung wünschen. Sie erleichtert vor allem das Leben von Menschen mit unregelmäßigem Tagesablauf (z. B. Menschen im Schichtdienst) oder mit stärkerem Blutzuckeranstieg gegen Morgen (Dawn-Phänomen). In letzterem Fall können die Patienten die Pumpe so programmieren, dass die Insulinzufuhr während des Schlafs gesteigert wird und sie so am Morgen mit einem normalen Nüchternblutzucker aufwachen.

Der Einsatz einer Insulinpumpe erfordert ein großes Maß an Mitarbeit und Selbstverantwortung des Patienten. Er sollte deshalb schon Erfahrung im Umgang mit Insulin und einer intensivierten Insulintherapie besitzen.

Die Behandlung ist genauso sicher wie eine Therapie mit Spritzen. Allerdings kann der Blutzuckerwert sehr rasch ansteigen, wenn die Nadel oder der Pumpenkatheter herausrutscht und die Insulinzufuhr ausbleibt, denn der Pumpenpatient besitzt im Gegensatz zum Spritzenpatient nur einen sehr geringen Insulinvorrat unter der Haut.

Transplantation der Bauchspeicheldrüse oder Inselzellen

Die Verpflanzung der Bauchspeicheldrüse ist ein Eingriff, der bislang vor allem bei jüngeren Diabetikern mit einer fortgeschrittenen Nierenschwäche vorgenommen wird. Bei diesen Patienten werden die Niere und die Bauchspeicheldrüse gemeinsam ersetzt. In Deutschland werden derzeit jährlich 50 Transplantationen dieser Art durchgeführt.

Die Erfolgsaussichten sind ungefähr so hoch wie bei einer Nierentransplantation. Die erfolgreich behandelten Diabetiker können nach dem Eingriff ein weitgehend normales Leben ohne Insulinspritzen führen. Allerdings müssen sie zeitlebens Medikamente einnehmen, die das Immunsystem dämpfen, um zu verhindern, dass der Körper das neue Organ abstößt.

Die Übertragung der Insulin produzierenden Anteile der Bauchspeicheldrüse, der Langerhansschen Inseln, wird dagegen nicht in großem Stil eingesetzt. Ein Problem ist die Abstoßung des verpflanzten Gewebes sowie die geringere Langzeiteffektivität.

Einstellung der Blutzuckerwerte

Ein wichtiges Behandlungsziel ist die Normalisierung des Blutzuckerwerts, denn dieser wirkt sich sowohl auf die Lebensqualität des Diabetikers als auch auf seine Lebenserwartung aus. Ein gut eingestellter Blutzuckerwert hilft, Folgeerkrankungen abzumildern, hinauszuzögern oder gar nicht erst entstehen zu lassen.

Neben der regelmäßigen Blutzuckerkontrolle beim Internisten spielt die Selbstkontrolle des Blutzuckerwerts eine herausragende Rolle. Patienten stehen dafür kleine Blutzuckermessgeräte zur Verfügung, mit denen sie das zur Messung benötigte Blut mit Stechhilfen aus der Fingerkuppe entnehmen. Typ-1-Diabetiker messen ihre Blutzuckerwerte vor jeder Insulinspritze, also 4- bis 5-mal pro Tag. Die Option der fortwährenden Verfügbarkeit durch kontinuierliche Glukosemessung oder Flash Glukose Monitoring im Unterhautfettgewebe ist dabei ein wirklicher Quantensprung bei der Verwirklichung einer effektiven und praktisch relativ einfach durchführbaren Behandlung eines Typ-1-Diabetes. Zur Überwachung der korrekten Langzeiteinstellung der Blutzuckerwerte werden verschiedene Blutbestandteile untersucht. Hierzu zählt z. B. das gezuckerte (glykosylierte) Hämoglobin A1C (HbA1C).

Folgende Blutwerte sollten eingehalten werden:

  • Hämoglobin A1c (HbA1c-Wert): unter 7,0%
  • Blutzucker vor dem Essen: unter 120 mg% (entspricht: 120 mg/dl oder 6,7 mmol/l)
  • Blutzucker nach dem Essen: unter 160 mg% (entspricht: 160 mg/dl oder 8,9 mmol/l)
  • LDL-Cholesterin: unter 100 mg% (entspricht: 100 mg/dl oder 5,6 mmol/l)
  • HDL-Cholesterin: über 40 mg% (entspricht: 40 mg/dl oder 2,2 mmol/l)
  • Neutralfette im Serum: unter 150 mg% (entspricht: 150 mg/dl oder 8,3 mmol/l)
  • Kein Albumin im Urin

Voraussetzung dafür, dass diese Werte erreicht werden können, ist ein normales Körpergewicht. Außerdem sollte der Blutdruck zumindest unter 140/85 mmHg liegen. Leidet der Patient zusätzlich noch unter einer Nierenerkrankung, sollte ein Blutdruck von 130/80 mmHg erreicht werden.

Experte: Wissenschaftliche Beratung und Ausarbeitung: Prof. Eberhard Standl, München

Literatur:
Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin in 2 Ordnern Meyer, J. et al. (Hrsg.) Elsevier, 11/2022 https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/057-013.html

Letzte Aktualisierung: 05.12.2022

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