22.03.2019

Herzschutz durch Functional Food

Bestimmte Lebensmittel beeinflussen die DNA und können dadurch das Herz schützen. Die Bedeutung von sog. „Functional Food“ wurde jetzt in einem Literaturüberblick beleuchtet.

Wir sind, was wir essen – heute weiß man: Die Art, wie wir uns ernähren, beeinflusst nicht nur unser aktuelles Wohlbefinden, unsere Ernährungsweise kann sich sogar auf nächste Generationen auswirken.

In den letzten Jahren ist das sogenannte Epigenom immer mehr in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Darunter versteht man chemische Modifikationen am gesamten Erbgut eines Lebewesens (an der DNA und der Chromatin-Struktur), die sich unmittelbar auf die Genregulation auswirken und auch an die nächsten Generationen weitergegeben werden können. Auch die sog. nichtkodierende RNA wird zum Epigenom gezählt. Das Epigenom kann durch innere (intrinsische), aber eben auch durch äußere (extrinsische) Faktoren beeinflusst werden – und hier kommt die Ernährung ins Spiel.

Denn die Aufnahme gewisser Nahrungsbestandteile  – man spricht von Functional  Food – kann die Aktivität von Enzymen beeinflussen, die Veränderungen an der DNA vornehmen. Solche DNA-Veränderungen können sich wiederum auf die Entwicklung und das Fortschreiten unterschiedlichster kardiovaskulärer Erkrankungen auswirken, z. B. die Entstehung von Bluthochdruck, PAVK, KHK, Schlaganfall und Herzinsuffizienz beeinflussen. 

Lebensmittel können also über epigenetische Effekte kardioprotektiv wirken. Welche das sind und wie sie wirken, haben Wissenschaftler um Dr. Vincenzo Lionetti in einem Review zusammengetragen (siehe European Heart JoUrnal, Online-Veröffentlichung am 15.10.2018).

Nüsse

Die regelmäßige Zufuhr von Nüssen verbessert Studien zufolge die Funktion der Blutgefäße (Endothelfunktion), wirkt sich positiv auf die Blutfette (das Lipidprofil) und Entzündungswerte (Inflammationsmarker) aus und geht mit einer geringeren kardiovaskulären Sterblichkeit einher. Zu den bioaktiven Inhaltstoffen von Nüssen zählen die ?-Linolensäure (ALA), Ballaststoffe, Phytosterine, einfachungesättigte Fettsäuren, Vitamin E, Selen und L-Arginin. Studien deuten darauf hin, dass einige dieser Inhaltstoffe über Veränderungen des Methylierungs-Musters bestimmter DNA-Abschnitte kardiovaskuläre Effekte entfalten.

Das Anheften von Methyl-Gruppen an die Nukleinbase Cytosin bzw. deren Entfernung ist ein wichtiger Mechanismus im Organismus, mit der die Genaktivität reguliert wird.  Die Methylierung von DNA-Abschnitten führt zu einer Unterdrückung Expression dort liegender Gene.

Vollkorn bzw. Ballaststoffe

Vollkornprodukte gelten gemeinhin als gesund, wobei eine kardiovaskuläre Wirkung nicht allen Getreidearten attestiert werden kann. Leinsamen können nachweislich den Blutdruck und den Cholesterinspiegel senken, haben gefäßerweiternde (vasodilatorische) und entzündungshemmende (antiinflammatorische) Effekte. Den vor allem in Hafer und Gerste enthaltenen Beta-Glucanen wird in Abhängigkeit vom Molekulargewicht eine cholesterin- und blutzuckersenkende Wirkung nachgesagt und diese positiven Effekte scheinen jedenfalls teilweise auf epigenetische Veränderungen zu gründen.

So werden die in Vollkorn enthaltenen Beta-Glucane von Darmbakterien zu der kurzkettigen Fettsäure Propionat umgesetzt. Propionat  wiederum hemmt die Histon-Deacetylase (HDAC). Dieses Enzym entfernt Acetylgruppen von Lysinseitenresten der Histone. Histone sind spezielle Proteine, die für die Verpackung der DNA wesentlich sind und über die die Genaktivität reguliert werden kann. Eine Acetylierung dieser Proteine führt in der Regel zu einer Lockerung der Chromatinstruktur, wodurch die Genexpression erhöht wird, eine Entfernung von Acetylgruppen hat den gegenteiligen Effekt, also eine Unterdrückung der Genaktivität.

Fisch

Auch die kardioprotektive Wirkung von Fisch scheint teils über die Beeinflussung der DNA-Struktur (genauer gesagt: über eine veränderte Methylierung bestimmter DNA-Abschnitte) erklärbar zu sein. Die Forschung in diesem Bereich stecke jedoch noch in den Kinderschuhen, betonen die Autoren. Zu den bioaktiven Inhaltstoffen von Fisch zählen insbesondere die beiden Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Für eine entsprechende Wirkung muss allerdings recht viel Fisch gegessen werden (40–60 g/Tag oder 2 – 4 Portionen/Woche).

Früchte/Gemüse und Olivenöl

Dass der Verzehr von Früchten und Gemüse die Herzgesundheit fördert, ist spätestens seit den Ergebnissen der PURE-Studie wohl allgemein akzeptiert. Die im grünen Blattgemüse enthaltenen Flavonoide, Folsäure, Ballaststoffe und Mineralien beeinflussen den vaskulären Tonus, verhindern die LDL-Oxidation und damit die Entstehung von atherosklerotischen Plaques, senken den Blutzucker und haben eine antikoagulatorische wie antiinflammatorische Wirkung. Diese Effekte scheinen ebenfalls über eine Veränderung des Methylierungs-Musters dafür relevanter DNA-Abschnitte zutragen zu kommen.

Auch der Verzehr von Olivenöl scheint sich auf das Epigenom auszuwirken. Die darin enthaltenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (ALA) und Polyphenole beeinflussen die Aktivität sogenannter microRNAs. Dabei handelt es sich um kurze RNA-Abschnitte von höchstens 22 Nucleotiden, die in der Lage sind, die Expression bestimmter Gene kurz- und längerfristig zu unterdrücken. Olivenöl scheint darüber den Blutdruck und die Lipidspiegel positiv beeinflussen zu können.

Wein, Kakao und Co

Mit der angeblichen kardiovaskulären Wirkung von roten Wein haben sich schon zahlreiche Studien auseinandergesetzt. Die Datenlage ist kontrovers. Einige Studien deuten darauf hin, dass die im roten Wein und im Bier enthaltenen Polyphenole kardioprotekiv wirken, indem sie das Lipidprofil verbessern, Entzündungsprozesse abschwächen, die Plättchenaggregation hemmen und die Insulinsensitivität steigern. Ein Teil dieser Effekte lässt sich wohl über epigenetische Effekte erklären. Polyphenole hemmen das Enzym DNMT und führen so zu einer Abnahme der Methylierung von DNA-Abschnitten, in denen sich Gene befinden, die an Inflammationsprozessen beteiligt sind. Über diesen Mechanismus könnten Polyphenole ihre antiinflammatorische Wirkung entfalten.

Auch Kakao und Kaffee werden kardioprotekive Eigenschaften zugesprochen. Die im Kakao enthaltene Flavanole und Flavonole regen die Produktion von Stickstoffmonoxid (NO) an und wirken dadurch blutdrucksenkend. Der Konsum von dunkler Schokolade wird mit einem verringerten Risiko für Herzinfarkte und ischämischer Kardiomyopathie in Verbindung gebracht. Allerdings enthalte Schokolade viele Kalorien, weshalb sich bei einem vermehrten Verzehr auch nachteilige Effekte, etwa auf das Gewicht und das Diabetes-Risiko, ergeben könnten, weisen die Studienautoren einschränkend hin.

Zu den bioaktiven Inhaltstoffen von Kaffee zählen die Kaffeesäure und Chlorogensäure (beides Polyphenole) sowie Diterpene, Quinidine und Lignane.  Drei bis vier Tassen Kaffee pro Tag gehen mit einem geringeren kardiovaskulären Risiko einher – und wieder scheint das Epigenom daran beteiligt zu sein (Abnahme der DNA-Methylierung über DNMT-Inhibitoren).

Und was nützen uns diese Erkenntnisse? Die Studienautoren hoffen, dass mit dem Wissen um die mechanistischen Auswirkungen bestimmter Ernährungsweisen Lebensstilinterventionen individueller zugeschnitten werden können, ganz im Sinne einer personalisierten Medizin. Doch einfach ist das nicht. Denn die klassischen Ernährungsstudien haben bekanntlich ihre Tücken, worauf auch die Studienautoren hinweisen.

Ob die zu beobachtenden Veränderungen am Epigenom tatsächlich ursächlich einer bestimmten Ernährungsweise zugeschrieben werden können, und welcher Nahrungsbestandteile dann genau dafür verantwortlich sind, lässt sich nur schwer herausfinden. Trotzdem solle das nicht davon abhalten, entsprechende Studien auf den Weg zu bringen, meinen Lionetti und Kollegen. Sie setzen dabei auf neue molekulargenetische Methoden wie „Next Generation Sequencing“ und die neuen Entwicklungen in der Bioinformatik.

Quelle: kardiologie.org

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