Covid-19: Ausblick

Als COVID-Impfstoffe Anfang 2021 erstmals in den Impfzenten zur Verfügung standen, waren diese knapp und die Zuteilung von Impfterminen erfolgte nach einer Priorisierung entsprechend dem Risiko schwer zu erkranken (Alter, Grunderkrankungen) oder der Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen (z. B. Gesundheitswesen, Pflege, Altenbetreuung). Auch von den niedergelassenen Ärzten wurde der Beginn der Impfkampagne in den Praxen dringlichst erwartet, um vor allem ihre gefährdeten Patienten impfen zu können. Impfstoffknappheit und schleppender Beginn führten bei manchen Impfwilligen ohne hohe Priorität zu Verärgerung und Gefühlen der Zurücksetzung (Impfneid).

Mittlerweile sind ca. 60 % der Bevölkerung vollständig geimpft und mehr als 90 % der Älteren (ab dem 60. Lebensjahr) und der chronisch Kranken haben zumindest eine Impfdosis erhalten (Stand August 2021). Auch besteht seit ca. Mitte 2021 keine Impfstoffknappheit mehr, so dass die erwachsene Gesamtbevölkerung einschließlich aller Kinder und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr geimpft werden können. Allerdings hat das Tempo der Impfkampagne deutlich nachgelassen und die Impfbereitschaft bei den bisher Ungeimpften liegt nach Umfragen bei unter 50 % (Stand August 2021). Dies soll durch Impfkampagnen, bessere Aufklärung und Information sowie einen erleichterten Zugang zu Impfangeboten verbessert werden. Es erscheint jedoch fraglich, ob es dadurch gelingt, Impfskeptiker oder gar Impfgegner zu erreichen. Auch in den Arztpraxen hat sich eine gewisse Ernüchterung eingestellt mit einem Rückgang der Impftätigkeit in vielen Praxen aufgrund der aufwändigen Logistik (Bestellung, Lagerung und Zubereitung der Impfstoffe, Organisation der Impfsprechstunde), dem erheblichen Zeitaufwand, wegen abgesagter bzw. nicht wahrgenommener Impftermine, Verfall von Impfdosen und einer relativ geringen Vergütung.

Für eine erfolgreiche Eliminierung von COVID als Problem der öffentlichen Gesundheit sind hohe Durchimpfungsraten entscheidend, da dies durch andere Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen nicht erreichbar ist. Eine Impfpflicht wie sie früher für die Pocken-Schutzimpfung galt, wird diskutiert und von vielen Fachleuten zumindest für die Gesundheits- und Pflegeberufe für notwendig erachtet, ähnlich wie die Pflicht zur Masernimpfung, die seit 2020 für große Teile der Bevölkerung gilt (alle Kinder und Schüler, alle nach 1970 Geborenen in Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen).

Für eine wirksame Herdenimmunität ist nach Berechnungen des RKI eine Durchseuchung von mindestens 80 % erforderlich, wobei die deutlich höhere Basisreproduktionszahl (R0 5-8) der z.Zt. vorherrschenden Delta-Variante berücksichtigt ist. Allein aufgrund durchgemachter Infektionen würde dies viele Jahre dauern und mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität einhergehen. Aufgrund der Schutzraten der aktuell zur Verfügung stehenden Impfstoffe gegen die Delta-Variante werden für ein Erreichen einer Herdenimmunität Impfquoten von 85-90 % für erforderlich gehalten. 

Unsicherheiten ergeben sich zudem aus der möglichen Entwicklung weiterer Virusvarianten. Möglicherweise sind daher auch in Zukunft weitere Auffrisch- bzw. Wiederimpfungen sowie die Verwendung angepasster Impfstoffe erforderlich, ähnlich wie bei der Influenza. Auch potenzielle Tierreservoire (Katzen, Hunde, Pelzfarmen, Fledermäuse u.a.) sind nicht auszuschließen. Schließlich ist die Situation in vielen Entwicklungsländern sehr viel problematischer und in den ärmsten Ländern der Welt sind derzeit weniger als 2 % der Bevölkerung geimpft. Zusammengefasst scheint es wahrscheinlich, dass uns die COVID-Pandemie noch länger begleiten wird und dass für eine wirksame globale Kontrolle eine konsequente internationale Zusammenarbeit unabdingbar ist.

Autor/Autoren: Prof. Thomas Löscher & Prof. Gisela Bretzel, München

Literatur:
Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19 - Living Guideline (AWMF-Register-Nr. 113/001) vom 17.5.2021: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/113-001LGl_S3_Empfehlungen-zur-stationaeren-Therapie-von-Patienten-mit-COVID-19__2021-05.pdf S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVI (AWMF-Register-Nr. 020/027) vom 12.7.2021: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-027.html

Letzte Aktualisierung: 07.09.2021

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