Metabolisches Syndrom: Diagnose & Behandlung

Untersuchungen & Diagnose des Metabolischen Syndroms

Patienten mit einem Metabolischen Syndrom haben oft keine oder wenige Beschwerden, die Erkrankung kann dadurch lange unbemerkt bleiben. Da bei vielen Patienten Übergewicht zu Bluthochdruck und einem gestörten Zucker- oder Fettstoffwechsel führt, sollten sich vor allem stark übergewichtige Menschen regelmäßig von ihrem Arzt untersuchen lassen.

Dieser wird sich in einem persönlichen Gespräch über die Gesundheitssituation des Patienten informieren und ihn über eventuelle Beschwerden sowie seine persönliche Krankheitsgeschichte und die seiner Angehörigen befragen. Außerdem sollte er über Lebens- und Ernährungsgewohnheiten des Patienten Bescheid wissen.

Anschließend wird der Arzt den Patienten körperlich untersuchen, den Taillenumfang, Blutdruck sowie verschiedene Blutwerte messen und eine Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane durchführen, um herauszufinden, ob die typischen Symptome eines Metabolischen Syndroms vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn bestimmte Grenzwerte (siehe „Metabolisches Syndrom/Symptome & Auswirkungen/Kriterien“) überschritten werden.

Behandlung des Metabolischen Syndroms

Wichtiges Ziel einer Behandlung des Metabolischen Syndroms ist es, Folgekrankheiten zu verhindern. Dabei gilt es, möglichst frühzeitig mit der Behandlung zu beginnen, um alle Faktoren, welche die Entwicklung von Komplikationen begünstigen, abzumildern oder gar zu vermeiden. Dazu gehören die Senkung der Blutfette (insbesondere des LDL-Wertes) und eine Erhöhung des HDL-Wertes. Außerdem wird der Arzt Bluthochdruck und Übergewicht behandeln, da sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

Die Behandlung des Metabolischen Syndroms erfolgt in mehreren Schritten. Zuerst empfiehlt der Arzt dem Patienten, durch eine Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten eine Besserung der Symptome zu erreichen. Wenn diese Maßnahmen keinen Erfolg bringen, kann der Arzt auch Medikamente zur Behandlung einsetzen.

Umstellung des Lebensstils

Ernährung

Patienten mit einem Metabolischen Syndrom sollten darauf achten, sich bewusst und ausgewogen zu ernähren. Wichtig ist hierbei, dass sie nicht mehr Energie aufnehmen als sie verbrauchen (ausgeglichene Energiebilanz) und dass sie sich fett- und cholesterinarm ernähren.

Um dauerhaft Gewicht zu verlieren, sollten übergewichtige Menschen auf eine fettarme (weniger als 30 % der aufgenommenen Energie), aber kohlenhydratreiche (ca. 50 % der Energiezufuhr) und eiweißreiche (15-20 %) Ernährung achten. Wird der Fettgehalt unter 30 % gesenkt, kann es zu einem Mangel lebensnotwendiger Fettsäuren kommen. Eine solche Diät sollte deshalb von einem Arzt überwacht werden. Der Anteil gesättigter Fettsäuren sollte maximal 7-10 % der Gesamtenergie betragen. Als Obergrenze für Cholesterin gelten 300 Milligramm pro Tag.

Darüber hinaus gilt eine Energiemenge von mindestens 1200 Kilokalorien täglich als Untergrenze, da es darunter zu einem Nährstoffmangel kommen kann. Deshalb sollte eine niedrigstkalorische Diät (very low energy diet) mit einem Energiegehalt von 400-800 Kilokalorien am Tag maximal drei Monate lang und nur unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden.

Eine Umstellung der Ernährung ist ein längerfristiger Prozess, der sich in der Regel erst nach einigen Monaten auswirkt. Ziel ist weniger ein starker, kurzfristiger Gewichtsverlust, sondern eine dauerhafte Anpassung des Stoffwechsels. So genannte „Crash-Diäten" können zwar kurzfristig einen großen Effekt haben, meist ist dieser aber nicht von Dauer (JoJo-Effekt). Sie werden deshalb von Ernährungsexperten nicht empfohlen. Bei einer konventionellen Diät vergehen mindestens drei Monate, bis die Betroffenen 10 Kilogramm Gewicht verloren haben. Für 15-40 Kilogramm benötigen sie bei konsequenter Therapie 6-24 Monate.

Um die Patienten bei der Umstellung ihres Lebensstils zu unterstützen, kann eine Verhaltenstherapie sinnvoll sein. Diese soll sie motivieren und ihnen helfen, die Verhaltensänderungen im Alltag beizubehalten. Außerdem sollten starre Kontrollmaßnahmen durch flexible Kontrollen ersetzt werden.

Körperliche Bewegung

Regelmäßige körperliche Bewegung, möglichst 30 Minuten täglich, ist ein zentraler Bestandteil der Behandlung eines metabolischen Syndroms. Bewegung erhöht den Energieverbrauch und trägt so dazu bei, die Blutfette zu senken und Übergewicht abzubauen.

Verzicht auf Rauchen und Alkohol

Der Verzicht auf Nikotin beeinflusst den Cholesterinwert positiv und trägt zur Senkung des Herzinfarktrisikos bei. Eine Alkoholabstinenz wirkt sich positiv auf eine Störung des Fettstoffwechsels aus und hilft, erhöhten Blutdruck zu senken.

Andere nicht-medikamentöse Verfahren

Lipid-Apherese

Bei ausgeprägten, genetisch bedingten Erhöhungen von LDL-Cholesterin oder Lipoprotein a können diese Fette durch eine so genannte Apherese aus dem Blut entfernt werden. Hierbei wird das Blut über eine Armvene aus dem Körper heraus geleitet wird und nach der Entfernung der Fette dem Blutkreislauf wieder über eine zweite Armvene zugeführt. So kann beispielsweise der Lipoprotein-a-Spiegel um 70 % gesenkt werden. Die Behandlung muss wöchentlich bis alle zwei Wochen wiederholt werden.

Die Lipidapherese wird nur bei Patienten eingesetzt, die genetisch bedingt sehr hohe Werte von LDL-Cholesterin oder Lipoprotein a aufweisen. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist dadurch sehr hoch, und Komplikationen treten früh auf. Alle anderen Möglichkeiten zur Senkung der Blutfette müssen aber zuvor ausgeschöpft sein.

Operative Behandlung

Bei extremem Übergewicht mit einem Body Mass Index von 35-40 oder mehr kann der Magenumfang durch eine Operation begrenzt werden. Hierbei wird in einem minimal invasiven Eingriff (Laparaskopie) ein anpassbares Silikonband um den oberen Teil des Magens gelegt.

Ein anderes, mittlerweile häufiger genutztes Verfahren besteht in der operativen Anlegung eines Bypasses weiter Teile des Dünndarms, in dem die eigentliche Verdauung stattfindet, in Kombination mit verschiedenen Formen der Magenverkleinerung.

Medikamentöse Behandlung

Wenn die Umstellung der Lebensgewohnheiten alleine nicht ausreichend ist, kann der Arzt die Symptome des Metabolischen Syndroms mit Medikamenten behandeln. Experten empfehlen eine medikamentöse Therapie vor allem für Patienten mit einem Body-Mass-Index von über 27-30, die trotz nichtmedikamentöser Behandlung innerhalb von 3-6 Monaten weniger als 5 Kilogramm abgenommen haben. Dafür stehen dem Arzt je nach Symptom unterschiedliche Arzneiwirkstoffe zur Verfügung. Bringt die Einnahme eines Medikamentes alleine nicht die erhoffte Wirkung, kann der Arzt verschiedene Medikamente miteinander kombinieren

Behandlung von Übergewicht

o    Orlistat
Orlistat ist ein so genannter Lipasehemmer. Er hemmt die Zerlegung von Nahrungsfetten im Magen-Darm-Trakt, so dass geringere Mengen davon vom Körper aufgenommen werden. 30 % der aufgenommenen Fette werden unverdaut ausgeschieden. Dadurch nimmt der Körper weniger Energie- bzw. Kalorien auf.

o    Inkretin-Analoga
Inkretin-Analoga sind von den natürlichen Darmhormonen, den Inkretinen (z.B. GLP1) abgeleitete Medikamente, die neben einer bedarfsangepassten Blutzuckersenkung auch zu einer deutlichen Gewichtsabnahme von 3-5 kg - oft auch mehr - führen.

Bluthochdruckbehandlung

o    ACE-Hemmer und AT-1-Rezeptor-Antagonisten
Präparate dieser Wirkstoffklassen wirken über mehrere, verschiedene Reaktionswege gefäßerweiternd. Im Wesentlichen hemmen sie die Bildung des Blutdruck- steigernden Hormons Angiotensin II. Sie senken nachhaltig den Blutdruck und beugen Endorganschäden vor.

o    Diuretika (entwässernde, harntreibende Mittel)
Zu diesen nierenwirksamen Medikamenten gehören Thiazide und Schleifen-Diuretika (speziell bei eingeschränkter Nierenfunktion) sowie kaliumsparende Diuretika. Sie steigern die Ausscheidung von Kochsalz und Wasser über die Nieren und verstärken in Kombination mit anderen blutdrucksenkenden Medikamenten deren Wirkung.

o    Betablocker
Betablocker sind Arzneimittel, die im Körper die so genannten ß-Rezeptoren blockieren. Dadurch wird die Wirkung bestimmter Stresshormone (Noradrenalin, Adrenalin) gehemmt.

o    Kalziumantagonisten bzw. Kalziumkanalblocker
Kalziumantagonisten blockieren die Kalzium-Kanäle in den Herz- und Gefäßmuskelzellen. Sie vermindern den Kalzium-Einstrom in die Zellen, setzen dadurch die Gefäßspannung herab und somit auch den Blutdruck.

Behandlung von Fettstoffwechselstörungen

o    Statine
Diese Medikamente hemmen die Neubildung des Cholesterins in der Leber. Die Leber nimmt zudem vermehrt Cholesterin auf und baut es ab. Sie senken das Gesamt-Cholesterin im Blut um 30-40 %. Das LDL-Cholesterin sinkt um 35-45 %, die Neutralfette (Triglyzeride) sinken geringfügig und das HDL-Cholesterin steigt leicht.

o    Cholesterin-Resorptionshemmer
Diese Substanzen hemmen die Aufnahme, d.h. den Transport von Cholesterin aus dem Darm. Sie können so den LDL-Spiegel um durchschnittlich 20 % senken.

o    PCSK9-Inhibitoren
Diese Wirkstoffe müssen als Antikörper enthaltende Medikamente gespritzt werden (in der Regel alle zwei Wochen) und senken über Mechanismen in der Leber das LDL-Cholesterin um 60 % und das Lipoprotein a um ca. 25 %. Sie sind bestimmten Patienten vorbehalten, z. B. mit ausgeprägten, erblich bedingten Erhöhungen des LDL-Cholesterins oder bei nachgewiesener Intoleranz für Statine.

o    Fibrate
Fibrate fördern den Abbau von triglyzeridreichen Lipoproteinen, daher kommen sie vor allem bei erhöhtem Triglyzerid-Spiegel zum Einsatz.

Behandlung von Zuckerstoffwechselstörungen (Typ-2-Diabetes)

o    Biguanide
Biguanide verzögern die Aufnahme von Zucker aus dem Darm und vermindern die Zuckerbildung durch die Leber. Des Weiteren senkt Metformin die Blutfette (Triglyzeride) und unterstützt eine Gewichtsabnahme. Deshalb ist Metformin besonders zur Behandlung von übergewichtigen Patienten mit metabolischem Syndrom geeignet.

o    SGLT2-Inhibitoren
SGLT2-Inhibitoren steigern die Zuckerausscheidung im Urin und senken so vor allem die Blutzuckerwerte nach den Mahlzeiten. Gleichzeitig wird auch vermehrt Natrium im Urin ausgeschieden, der Blutdruck sinkt und Nieren und Herz werden entlastet. Im Mittel ist eine Gewichtsabnahme von etwa 2 kg zu verzeichnen.

o    DPP4-Hemmer
DPP4-Hemmer sind Inkretin-Verstärker, d.h. sie erhöhen die Konzentration der Inkretine GLP1 und GIP (siehe weiter unten: „Inkretin-Analoga“), indem sie verhindern, dass sie durch das Enzym DPP-4 abgebaut werden. Vor allem die Blutzuckerwerte nach den Mahlzeiten werden gesenkt, Unterzuckerungen werden nicht ausgelöst. DPP4-Hemmer sind gewichtsneutral.

o    Glitazone
Glitazone erhöhen die Empfindlichkeit der Gewebezellen für Insulin und reduzieren dadurch die Insulinresistenz. Sie wirken sich auch positiv auf den Fettstoffwechsel aus.

o    Alpha-Glukosidasehemmer
Sie verlangsamen die Aufnahme von Zucker im Darm. Dadurch steigen die Blutzuckerwerte nach den Mahlzeiten nicht mehr so stark an. Meist werden Alpha-Glukosidasehemmer zu Beginn einer Diabetesbehandlung eingesetzt.

o    Sulfonylharnstoffe
Sulfonylharnstoffe regen die Bauchspeicheldrüse zur Bildung von Insulin an. Sie werden vor allem bei normalgewichtigen Typ-2-Diabetikern eingesetzt, meist erst dann, wenn andere Maßnahmen erfolglos waren. Da sie häufig zu einer Gewichtszunahme führen und eine bestehende Insulinresistenz verstärken, sind sie für übergewichtige Patienten weniger geeignet.

o    Glinide
Glinide regen die Insulinproduktion nach Mahlzeiten an und werden deshalb vor den Hauptmahlzeiten eingenommen.

o    Insulin
Eine Insulintherapie kommt bei Typ-2-Diabetikern zum Einsatz, wenn ernährungstherapeutische Maßnahmen und blutzuckersenkende Medikamente nicht ausreichend wirken.

o    Inkretin-Analoga
Inkretine sind Darmhormone (z. B. GLP-1), welche die Abgabe von Insulin bei der Nahrungsaufnahme bedarfsabhängig regulieren. Gleichzeitig werden die Spiegel des Blutzucker steigernden Hormons Glukagon im Blut herabgesetzt. Inkretin-Analoga ähneln den natürlichen Inkretinen und imitieren deren Wirkung. Außerdem sinken Gewicht und Blutdruckwerte.

Behandlung von erhöhter Harnsäure

o    Allopurinol
Allopurinol verhindert die Umwandlung von so genannten Purinen zu Harnsäure. Purine wiederum entstehen beim Abbau der Erbsubstanz DNA. Allopurinol wird meist zur Behandlung der Gicht eingesetzt.

Experte: Wissenschaftliche Beratung und Ausarbeitung: Prof. Eberhard Standl, München

Literatur:
Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin in 2 Ordnern Meyer, J. et al. (Hrsg.) Elsevier, 11/2021 https://www.diabetesinformationsdienst-muenchen.de/index.php?id=17071

Letzte Aktualisierung: 19.08.2022

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